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Morton, Kate

Morton, Kate

Titel: Morton, Kate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fernen Stunden
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Luftangriffe überstanden und manche Nacht in
Luftschutzkellern verbracht hatte, hatte Juniper etwas Besseres verdient als
ein Eau de »Schweißfuß«.
    Ganz zu
schweigen von dem geheimnisvollen Gast, den sie eingeladen hatte. Juniper hatte
nie Freunde gehabt - die kleine Meredith war die einzige überraschende Ausnahme
-, aber Saffy wusste zwischen den Zeilen zu lesen, und auch wenn Juniper die
Angewohnheit hatte, sich sehr verschnörkelt auszudrücken, hatte sie ihren
Briefen entnommen, dass der junge Mann irgendetwas Edelmütiges getan hatte, um
Junipers Herz zu erobern. Die Einladung zum Abendessen diente also dazu, die
Dankbarkeit der Familie Blythe zum Ausdruck zu bringen, und deswegen musste
alles perfekt sein. Das Zwiebelgrün, beschloss sie nach einem letzten Blick
darauf, war alles andere als perfekt. Aber jetzt, wo es schon mal geschnitten
war, durfte es nicht vergeudet werden - ein Sakrileg! Der Ernährungsminister,
Lord Woolton, wäre entsetzt - Saffy würde sie für irgendein Gericht verwenden,
nur nicht heute Abend. Zwiebeln und deren Nachwirkungen konnten jeden
geselligen Abend verderben.
    Untröstlich
stieß sie einen Seufzer aus und dann, weil es so guttat, gleich noch einen und
ging zum Haus zurück, froh wie immer, dass sie nicht durch den großen Garten
musste. Sie könnte es nicht ertragen; der Garten war einmal so prachtvoll
gewesen. Es war eine Tragödie, dass so viele Blumengärten in England
vernachlässigt oder gar für den Gemüseanbau benutzt wurden. Wie Juniper in
ihrem letzten Brief berichtete, waren die Blumen im Hyde Park nicht nur unter
bergeweise Holz und Eisen und Ziegeln zerquetscht - Schutt von Gott weiß wie
vielen zerbombten Wohnhäusern -, sondern auf der gesamten Südseite durch
Gemüsebeete ersetzt worden. Eine Notwendigkeit, das sah Saffy ja ein, aber
dennoch tragisch. Wenn es keine Kartoffeln gab, knurrte den Leuten der Magen,
aber wenn es keine Schönheit mehr gab, verhärtete das die Seele.
    Vor ihr
flatterte ein Schmetterling, seine Flügel bewegten sich wie die
gegenüberliegenden Seiten eines Blasebalgs. Dass derartige Vollkommenheit und
natürliche Gelassenheit existieren konnten, während die Menschheit rundherum
das Dach der Welt zum Einsturz brachte - ein Wunder! Saffys Gesicht hellte sich
auf; sie streckte einen Finger aus, aber der Schmetterling schenkte ihm keine
Beachtung, flatterte auf und ab und inspizierte die verfaulenden Früchte eines
Mispelbaums. Ganz und gar selbstvergessen — unglaublich! Lächelnd setzte Saffy
ihren Weg fort, bückte sich unter der von dem knotigen Glyzinienbaum
überwucherten Pergola, darauf bedacht, nicht mit den Haaren an den Blüten
hängen zu bleiben.
    Mr.
Churchill wäre gut beraten, sich daran zu erinnern, dass Kriege nicht nur mit
Kugeln gewonnen wurden, und diejenigen zu belohnen, denen es gelang, Schönheit
zu erhalten, während die Welt um sie herum in Schutt und Asche gelegt wurde.
»Der Churchill-Orden für die Erhaltung von Englands Schönheit«, das klang doch
nicht schlecht, fand Saffy. Als sie das am Morgen beim Frühstück erwähnte,
hatte Percy nur gegrinst, selbstgefällig, wie nur jemand sein konnte, der
monatelang in Bombenkrater geklettert war und sich damit einen Tapferkeitsorden
verdient hatte, aber Saffy hatte sich davon nicht beeindrucken lassen. Im
Gegenteil, sie arbeitete bereits an einem Brief an die Times über das Thema. Über die Wirkung, die das haben würde:
dass Schönheit wichtig war, genauso wie Kunst und Literatur und Musik, vor
allem in Zeiten, in denen zivilisierte Nationen es darauf anzulegen schienen,
einander zu immer barbarischeren Taten anzustacheln.
    Saffy war
begeistert von London, war es schon immer gewesen. Ihre Zukunftspläne hingen
vom Überleben der Stadt ab, und sie nahm jeden Bombenangriff persönlich. Als die
Bombenangriffe ohne Unterlass kamen und pausenlos das Knattern der Flak und
das Heulen der Sirenen und die schrecklichen nächtlichen Explosionen zu hören
gewesen waren, hatte sie ihre Fingernägel blutig gekaut - eine fürchterliche
Angewohnheit, für die sie Hitler verantwortlich machte - und sich gefragt, ob
sie, die sie die Stadt so sehr liebte, umso schrecklicher unter der Zerstörung
litt, weil sie nicht dort war, als die Katastrophe hereinbrach, so ähnlich wie
eine Mutter, deren Sorge um den verwundeten Sohn dadurch verstärkt wurde, dass
sie nicht an seiner Seite sein konnte. Schon als Mädchen hatte Saffy geahnt,
dass ihre Zukunft nicht in den sumpfigen Wiesen

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