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Morton, Kate

Morton, Kate

Titel: Morton, Kate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fernen Stunden
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vorher im Aschenbecher ausgedrückt hatte.
»Das ist ja nichts Ungewöhnliches.«
    »Irgendwann
wird er kommen.« »Falls er existiert.«
    Wie
merkwürdig, so etwas zu sagen; Saffy schob sich eine widerspenstige Strähne
hinters Ohr, verwirrt, besorgt. Sie fragte sich, warum Percy einen solch bösen
Scherz machte, einen von der Art, die Saffy immer wörtlich nahm. Ihr drehte
sich der Magen um, doch sie beschloss, das zu ignorieren und den Scherz als
Scherz aufzufassen. »Das hoffe ich doch. Es wäre eine Schande zu erfahren, dass
er nur eine Ausgeburt der Fantasie ist. Der Tisch würde ganz unausgewogen
wirken, wenn wir ein Gedeck entfernen müssten.« Sie setzte sich auf die Kante
der Chaiselongue, aber es gelang ihr nicht, sich zu entspannen. Eine seltsame
Nervosität schien sich von Percy auf sie übertragen zu haben.
    »Du siehst
müde aus«, sagte Percy.
    »Wirklich?«
Saffy bemühte sich um einen liebenswürdigen Ton. »Ich glaube, das bin ich auch.
Vielleicht werde ich wieder munterer, wenn ich nach dem Essen sehe. Ich gehe
mal in die Küche und ...«
    »Nein.«
    Saffys
Glas fiel zu Boden. Whisky breitete sich auf dem Teppich aus, bräunliche
Perlen auf dem blau-roten Muster.
    Percy hob
das Glas auf. »Tut mir leid«, sagte sie. »Ich wollte nur ...«
    »Wie ungeschickt von mir.« Saffy
betrachtete einen Fleck auf ihrem Kleid. »Wie ungeschickt ...« Und dann klopfte
es an der Tür. Sie standen gleichzeitig auf. »Juniper«, sagte Percy. Saffy
schluckte. »Oder Thomas Cavill.« »Ja. Oder Thomas Cavill.«
    »Tja«,
sagte Saffy mit einem gezwungenen Lächeln. »Wer auch immer es sein mag, am
besten machen wir die Tür auf.«
     
    Teil zwei
     
    Das Buch von den nassen Zaubertieren 1992
     
     I ch konnte an nichts anderes mehr denken als an
Thomas Cavill und Juniper Blythe. Es war so eine traurige Geschichte; ich
machte sie zu meiner traurigen Geschichte. Ich kehrte nach London
zurück, führte mein Leben, aber ein Teil von mir kam nicht von diesem Schloss
los. Kurz vor dem Einschlafen oder beim Tagträumen fanden mich die flüsternden
Stimmen. Sobald mir die Augen zufielen, war ich wieder in dem kühlen, düsteren
Flur und wartete mit Juniper auf ihren Verlobten. »Sie lebt in der
Vergangenheit«, hatte Mrs. Bird mir beim Wegfahren erzählt, als ich im
Rückspiegel zusah, wie der Wald sich wie dunkle, schützende Flügel um das
Schloss legte. »Sie durchlebt diesen Oktoberabend 1941 immer und immer wieder, wie
eine Schallplatte, die hakt.«
    Die
Vorstellung war so schrecklich traurig, ein ganzes Leben zerstört an einem
einzigen Abend, und sie warf so viele Fragen auf. Wie war es für sie an jenem
Abend gewesen, als Thomas Cavill nicht zum Abendessen erschien? Hatten alle
drei Schwestern in einem speziell für den Anlass hergerichteten Zimmer
gewartet? Wann hatte sie angefangen, sich Sorgen zu machen? Hatte sie anfangs
geglaubt, er wäre verletzt, hätte einen Unfall gehabt? Oder hatte sie sofort
gewusst, dass sie verlassen worden war? »Er hat eine andere geheiratet«, hatte
Mrs. Bird auf meine Frage geantwortet. »Hat sich mit Juniper verlobt und ist
dann mit einer anderen auf und davon. Nichts als ein Brief, um die Beziehung zu
beenden.«
    Ich hielt
die Geschichte in Händen, drehte sie hin und her, betrachtete sie von allen
Seiten. Ich führte mir alles vor Augen, korrigierte ein paar Fakten, ging sie
noch einmal der Reihe nach durch. Wahrscheinlich hat die Tatsache, dass ich
selbst auf ähnliche Weise enttäuscht worden war, eine gewisse Rolle gespielt,
aber es war mehr als Mitgefühl, was meine Obsession schürte — denn ich muss
gestehen, dass es wirklich zu einer Obsession wurde. Es waren die letzten
Minuten meiner Begegnung mit Juniper. Die Verwandlung, die sich vor meinen Augen
vollzog, als ich ihr gesagt hatte, ich müsse zurück nach London, wie sich die
junge Frau, die sehnsüchtig auf ihren Geliebten wartete, plötzlich in eine
todunglückliche Gestalt verwandelt hatte, die mich um Hilfe anflehte und mich
beschimpfte, weil ich ein Versprechen gebrochen hatte. Vor allem wurde ich das
Bild nicht mehr los, wie sie mir in die Augen gesehen und mir vorgeworfen
hatte, ich hätte sie auf schreckliche Weise im Stich gelassen; wie sie mich
Meredith genannt hatte.
    Juniper
Blythe war alt, sie war krank, und ihre Schwestern waren bemüht gewesen, mir zu
erklären, dass sie häufig Dinge sagte, die sie selbst nicht begriff. Aber je
länger ich darüber nachdachte, umso größer wurde die schreckliche

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