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Morton, Kate

Morton, Kate

Titel: Morton, Kate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fernen Stunden
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verändern,
wie ein Spiegelbild einer gekräuselten Wasseroberfläche, und sich in eine viel
weniger unwahrscheinliche Vision verwandelt. Eine, die Saffy immer wieder in
den Sinn gekommen war, seit sie mit der Arbeit an dem Kleid begonnen hatte.
    Und dann
hatten sich die Puzzleteile schnell zusammengefügt. Warum sonst hätte Juniper
sie bitten sollen, das Kleid für sie zu ändern? Doch nicht für etwas so
Gewöhnliches wie ein Abendessen, sondern für eine Hochzeit. Für ihre eigene
Hochzeit, und zwar mit diesem Thomas Cavill, der heute Abend kommen würde, um
Saffy und Percy kennenzulernen. Ein Mann, von dem sie bisher noch nie etwas
gehört hatten. Ja, alles, was sie über ihn wussten, beschränkte sich auf den
Brief, den Juniper geschickt hatte, um ihnen mitzuteilen, dass sie ihn zum
Abendessen eingeladen hatte. Sie hätten sich während eines Bombenangriffs
kennengelernt, sie hätten eine gemeinsame Freundin, er sei Lehrer und
Schriftsteller. Saffy zermartete sich das Hirn und versuchte, sich an den Rest
zu erinnern, die genauen Worte, die Juniper benutzt hatte, was sie geschrieben
hatte, das sie und Percy zu der Annahme veranlasst hatte, er habe Juniper das
Leben gerettet. Hatten sie sich das womöglich eingebildet? Oder war es eine von
Junipers kreativen Unwahrheiten, ein Schnörkel, der ihre Sympathie wecken sollte?
    In dem
Tagebuch hatte ein bisschen mehr über ihn gestanden, allerdings nichts, was
mit seiner Biografie zu tun hatte. Dort wurden die Gefühle, die Gelüste, die
Sehnsüchte einer erwachsenen Frau beschrieben. Einer Frau, die Saffy nicht
kannte, die ihr Befremden verursacht hatte; einer Frau, die dabei war,
weltgewandt zu werden. Es fiel Saffy schon nicht leicht, diese Veränderungen zu
akzeptieren, aber Percy würde man sehr gut zureden müssen. Für Percy würde
Juniper immer die kleine Schwester bleiben, die geboren wurde, als sie beide
schon fast erwachsen gewesen waren, das kleine Mädchen, das verwöhnt und
beschützt werden wollte. Dem man eine Freude machen, dessen Loyalität man
gewinnen konnte mit nichts weiter als einer Tüte Süßigkeiten.
    Saffy
lächelte voller trauriger Zuneigung über ihre von Zwängen bestimmte
Zwillingsschwester, die garantiert schon dabei war, sich auf eine Konfrontation
vorzubereiten, fest entschlossen, dafür zu sorgen, dass die Wünsche ihres
Vaters respektiert wurden. Arme, liebe Percy: so intelligent, so mutig und
liebenswürdig, zäh wie Leder, und doch unfähig, sich von den unmöglichen
Erwartungen ihres Vaters zu befreien. Saffy war klüger gewesen; sie hatte schon
früh aufgehört, ihm gefallen zu wollen.
    Sie
fröstelte plötzlich und rieb sich die Hände. Dann verschränkte sie die Arme,
entschlossen, diesmal nicht klein beizugeben. Sie musste stark sein für
Juniper, jetzt kam es auf sie an. Denn im Gegensatz zu Percy hatte sie
Verständnis für die Leiden, die die Liebe schafft ...
    Die Tür
ging auf, und Percy stand da. Der Wind schlug die Tür zu. »Es schüttet wie aus
Eimern.« Sie wischte sich das Wasser von Nase und Kinn, schüttelte das nasse
Haar. »Ich hatte hier oben ein Geräusch gehört. Vorhin.«
    Saffy
blinzelte verdattert. Sagte mechanisch: »Das war der Fensterladen. Ich glaube,
ich habe ihn festbekommen, aber ich kann ja nicht gut mit Werkzeug umgehen -
Percy, wo in aller Welt bist du gewesen?« Und was hatte sie da draußen gemacht?
Saffys Augen weiteten sich, als sie das nasse, schlammverdreckte Kleid ihrer
Schwester sah, die Blätter - war es möglich? - in ihrem Haar. »Sind die
Kopfschmerzen weg?«
    »Wie
bitte?« Percy hatte ihre Gläser geholt und schenkte ihnen beiden noch einen
Whisky ein.
    »Deine
Kopfschmerzen. Hast du die Aspirin gefunden?«
    »Ach so.
Danke. Ja.«
    »Du warst
ziemlich lange fort.«
    »Ach ja?«
Percy reichte Saffy das Glas. »Kann sein. Ich dachte, ich hätte draußen etwas
gehört. Wahrscheinlich Poe, der sich vor dem Gewitter fürchtet. Zuerst dachte
ich, es wäre Junipers Freund. Wie hieß er gleich?«
    »Thomas.«
Saffy trank einen kleinen Schluck. »Thomas Cavill.« Bildete sie sich ein, dass
Percy ihrem Blick auswich? »Percy, ich hoffe ...«
    »Keine
Sorge. Ich werde nett zu ihm sein, wenn er kommt.« Sie ließ ihren Whisky kreisen. -»Falls er kommt.«
    »Du darfst
ihn nicht im Voraus verurteilen, bloß weil er zu spät kommt.«
    »Und warum
nicht?«
    »Der Krieg
ist schuld. Nichts läuft mehr nach Plan. Juniper ist ja auch noch nicht da.«
    Percy nahm
die ungerauchte Zigarette, die sie

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