Morton, Kate
ziemlich
sicher, dass Saffy den Brief noch nicht gelesen hatte: Dafür war sie im Salon
viel zu gefasst, viel zu ruhig gewesen. Denn, bei Gott, wenn Saffy erfahren
hätte, dass Percy immer noch mit ihrer Kusine in Kontakt stand, wäre es ihr
nicht gelungen, ihre Empörung darüber zu verbergen. Was bedeutete, dass noch
nicht alles zu spät war. Sie musste nur die Hose finden, die Beweisstücke
verschwinden lassen, und alles würde gut werden.
Auf dem
Tisch hatte auch ein Kleid gelegen, fiel ihr ein, es musste also irgendwo einen
Stapel schmutzige Wäsche geben. Wie schwer konnte es sein, den zu finden?
Zweifellos wurde die Sache dadurch erschwert, dass sie keine Ahnung hatte, wie
das Wäschewaschen vor sich ging, denn leider hatte sie nie darauf geachtet, wie
Saffy den Haushalt organisierte; eine Nachlässigkeit, die sie sich zu
korrigieren vornahm, sobald sich der Brief wieder in ihrem Besitz befand. Sie
begann bei den Körben auf dem Regal unter dem Tisch, wühlte sich durch
Geschirrtücher, Kuchenbleche, Kasserollen und Backformen, während sie nach
Geräuschen auf der Treppe lauschte, für den Fall, dass Saffy auf der Suche nach
ihr herunterkam. Was ziemlich unwahrscheinlich war. Da sie Juniper jeden
Augenblick erwartete, würde es ihr widerstreben, sich allzu weit von der
Haustür zu entfernen. Percy wartete ebenfalls ungeduldig auf ihre kleine
Schwester, und sobald sie eintraf, würde sie sie ganz offen auf das Gerücht
ansprechen, das Mrs. Potts in die Welt gesetzt hatte.
Denn
obwohl Percy so getan hatte, als würde sie die Überzeugung ihrer
Zwillingsschwester teilen, dass Juniper es ihnen mitgeteilt hätte, wenn sie
sich tatsächlich verlobt hätte, war sie sich da ganz und gar nicht sicher. Eine
Verlobung gehörte zu den Dingen, die man seinen Angehörigen normalerweise erzählte,
wohl wahr, aber Juniper war nicht normal, sie war ihnen lieb und teuer, aber
sie war unbestreitbar exzentrisch. Und das nicht nur wegen ihrer Anfälle und
der »verlorenen Zeit«; sie war das kleine Mädchen, das Gefallen daran fand, mit
Lieblingsgegenständen ihr bloßes Auge zu berühren - einem glatten Stein oder
Vaters Füllfederhalter; das zahllose Kinderfrauen vergrault hatte mit seiner
Verstocktheit und seinen Fantasiefreunden, die es sich nicht ausreden ließ;
das, wenn man es gezwungen hatte, Schuhe zu tragen, darauf bestanden hatte, sie
verkehrt herum anzuziehen.
Mit
Exzentrik an sich hatte Percy kein Problem - welcher normale Mensch hatte nicht
seinen kleinen Tick?, wie man in der Familie gern witzelte. Vater hatte seine
Geister gehabt, Saffy hatte ihre Panikanfälle, Percy selbst war auch nicht
ohne. Nein, Exzentrik war nicht das Problem, Percy ging es nur darum, ihre
Pflicht zu tun, die darin bestand, Juniper vor sich selbst zu schützen. Ihr Vater
hatte ihr diese Aufgabe übertragen. Juniper sei etwas Besonderes, hatte er
gesagt, und sie müssten alle dafür sorgen, dass ihr nichts zustieß. Und das
hatten sie bisher getan, jawohl. Sie waren Expertinnen darin, zu erkennen, wann
genau die Veranlagung, die ihr Talent ausmachte, in Tobsuchtsanfälle umzukippen
drohte. Als ihr Vater noch gelebt hatte, hatte er sie ohne Einschränkung
herumtoben lassen. »Das ist Leidenschaft«, hatte er voller Bewunderung gesagt,
»ungekünstelte, hemmungslose Leidenschaft.« Dennoch hatte er sich mit seinen
Anwälten unterhalten. Percy war überrascht gewesen, als ihr klar geworden war,
was er getan hatte; sie hatte sofort Verrat gewittert und das unter
Geschwistern typische Mantra »Das ist ungerecht!« vor sich hin gemurmelt, aber
schon bald hatte sie eingesehen, dass ihr Vater recht hatte, dass seine
Anordnungen für sie alle das Beste waren. Und sie liebte Juniper, das taten sie
alle. Es gab nichts, was Percy nicht für ihre kleine Schwester tun würde.
Ein
Geräusch von oben. Percy erstarrte und suchte die Decke mit den Augen ab. Das
Haus war immer voller Geräusche, man brauchte also nur die üblichen
Verdächtigen durchzugehen. Für die Hausgeister war es zu laut gewesen, oder? Da
war es wieder. Schritte, vermutete sie; aber kamen sie näher? Kam Saffy nach
unten? Eine Weile hielt Percy den Atem an. Reglos wartete sie, bis sie sich
sicher war, dass die Schritte sich entfernten.
Dann
richtete sie sich auf und ließ den Blick mit größerem Unbehagen als zuvor durch
die Küche wandern. Immer noch keine Spur von der verdammten Wäsche. Besen und
ein Mopp in der Ecke, Gummistiefel neben der Hintertür, im Spülstein nichts
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