Morton Rhu - Leben und Werk
Woody Allen gesagt und das mag ich. Spaß beiseite. Ich bin zweiundsechzig und habe viele Menschen sterben sehen, manche auch langsam und qualvoll. Ich möchte deshalb, dass es bei mir schnell und schmerzlos geschieht.
Was sind Eigenschaften von Teenagern, die Sie besonders schätzen?
Ich mag ihre Neugier und ihren Mut. Und ich hoffe, dass sie die goldene Regel befolgen: Behandle andere so, wie du von ihnen behandelt werden willst. Ich glaube, dass Freundlichkeit und Toleranz zwei sehr wichtige Eigenschaften sind, die Kinder und Jugendliche lernen müssen. Das fällt ihnen nicht immer leicht, aber oft gelingt es auch.
Welchen Ratschlag geben Sie jungen Autoren, die gerne ihr erstes Buch veröffentlichen möchten?
Nachdem sie sich davor ausgiebig mit der wichtigen Aufgabe beschäftigt haben, ein gutes Manuskript zu schreiben und das bereits geschafft haben? Wahrscheinlich ist es dann am besten, sich einen Agenten zu suchen. Andererseits finde ich es ziemlich cool, was zurzeit mit E-Books geschieht. Es ist faszinierend zu sehen, wie es manchen Schriftstellern gelingt, auf Plattformen wie Kindle und anderen ihre Bücher zu veröffentlichen und sich mit der Marketingunterstützung von Blogs, Twitter, Facebook usw. ein Publikum zu erschreiben. Diese Möglichkeiten gab es bis vor Kurzem nicht und ich empfehle Jugendlichen, die gerne schreiben und publizieren wollen, es auch auf diese Weise zu versuchen: den Text schreiben, ihn als E-Book ins Internet speisen und für wenig Geld zum Verkauf anbieten. Das ist wie eine Demokratisierung des Buchmarktes, denn damit entscheiden nicht mehr Verlagslektoren und Marketingexperten, was erfolgreich sein soll, sondern nur die Leser selbst.
Vervollständigen Sie bitte: Ich bin glücklich, wenn …
… meine Kinder glücklich sind und alle, die ich kenne, gesund.
Morton Rhues Romane:
Analysen und Einzelinterpretationen
Die Welle – Faschismus als Experiment
Laurie Saunders saß im Redaktionsbüro der Schülerzeitung der Gordon Highschool und kaute an ihrem Kugelschreiber. Sie war ein hübsches Mädchen mit hellbraunem Haar und einem fast immerwährenden Lächeln, das nur schwand, wenn sie aufgeregt war oder an Kugelschreibern kaute. Das hatte sie in letzter Zeit ziemlich häufig getan. In ihrem Vorrat gab es keinen einzigen Schreiber mehr, der nicht am oberen Ende völlig zerbissen war. Immerhin war das allemal noch besser als Rauchen. Laurie sah sich in dem kleinen Büro um, das mit Schreibtischen, Schreibmaschinen und Zeichenplatten vollgestopft war. Eigentlich sollte in diesem Augenblick an jeder Schreibmaschine jemand sitzen und Beiträge für die Schülerzeitung »Ente« ausbrüten. Auch Zeichner und Gestalter sollten an den Lichttischen hocken und die nächste Ausgabe vorbereiten. Tatsächlich war jedoch außer Laurie niemand im Raum. Das Problem bestand einfach darin, dass draußen ein herrlicher Tag war.
So beschaulich beginnt eines der bedeutendsten Jugendbücher der letzten fünfzig Jahre. In den USA erschien Morton Rhues bekanntester Roman »Die Welle« 1981, in Deutschland erst 1984. Der Erfolg war hierzulande größer als in den Vereinigten Staaten. Bis heute wurden im deutschsprachigen Raum über fünf Millionen Exemplare verkauft. Aber inzwischen hat »The Wave« längst von Deutschland den Weg zurück über den Atlantik zu seinen Ursprüngen gefunden und ist auch dort ein Longseller. In Deutschland gehört Rhues Roman zur Schullektüre und ist unvermindert Anlass, sich auf sinnvolle Weise mit faschistischen Strukturen zu beschäftigen. Der Untertitel lautet: »Bericht über einen Unterrichtsversuch, der zu weit ging«. Ein Jugendlicher, der in diese Welle von Morton Rhue eintaucht, in diesen Geschichtsunterricht der besonderen Art, hat die Chance, faschistische Strukturen rational, aber auch emotional tiefgehender zu begreifen. Da unzählige Lehrer und Eltern diese Erfahrung gemacht haben, rollt die virtuelle Welle mit ungebrochener Kraft durch die Klassenzimmer, aber auch durch die eigenen vier Wände vieler Leser.
Morton Rhues Welle ist genau genommen eine Auftragsarbeit, an der er knapp fünf Monate schrieb. Sein New Yorker Verlag Delacorte Press fragte ihn 1980, ob er Lust hätte, ein Buch zu einem Film zu schreiben, der noch nicht gedreht war. Morton Rhue standen für seinen Roman lediglich ein fünfundvierzigseitiges Drehbuch, der Aufsatz von Ron Jones, dem Lehrer, der 1967 in Palo Alto das Original-Experiment mit seinen Schülern durchführte, und
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