Morton Rhu - Leben und Werk
eine Mitfahrgelegenheit auf einer Privatjacht organisiert. Falls wir (…)von der Küstenwache angehalten werden sollten, werden die Cops mich für einen Sohn reicher Eltern halten, der von einem Angeltrip in Baja zurückkommt. (Ha! Guter Witz. Ich bin ein Sohn reicher Eltern!) Ein Drogenkurier sieht für die garantiert ganz anders aus. Von San Diego aus nehme ich den Bus nach L.A., liefere die Ware bei Bernie ab und mache mich anschließend mit federnden Schritten auf meinen neuen, komplett bezahlten Waden wieder vom Acker. Nicht übel für drei Wochen Arbeit.
Um berühmt zu werden, wird Avy nicht nur zum Drogentransporteur, am Ende des Buches verliert er sein Leben. Nachdem er sich in Mexiko für wenig Geld Wadenimplantate hat einsetzen lassen, bekommt Avy eine Blutvergiftung, weil die Operationswunden nicht sachgemäß versorgt wurden. So stirbt er mit sechzehn in San Diego, weit weg von seiner Familie und seinen Freunden, als ein weiterer Fame Junkie.
Doch auch bei der Figur Avy, deren Schicksal sich auf den ersten Blick viel zu »extrem« anhört, als dass es einem deutschen Durchschnittsjugendlichen Identifikationsfläche bieten könnte, schafft Morton Rhue wieder das, was seine Jugendbücher auszeichnet: die Nähe zu den Charakteren. Indem er Avy Gedanken denken lässt, die so oder so ähnlich wohl schon vielen Teenagern durch den Kopf gegangen sind, rückt er den skurrilen Avy, der für eine Schönheitsoperation alles aufs Spiel setzt, näher an die Leser heran.
Das ist mein Leben und eigentlich müsste ich selbst entscheiden dürfen, was ich damit machen will. Aber nein, sie wissen ja immer alles besser. Dabei haben sie es in Wirklichkeit einfach nicht ertragen, dass ich nicht so funktioniert hab, wie sie es sich vorgestellt haben. Und dann auch noch ständig diese Sprüche: »Eines Tages wirst du verstehen, dass wir Recht hatten.« Blablabla. Das Einzige, was ich verstehe, ist, dass es ihnen nie wirklich um mich gegangen ist, sondern immer nur um sich selbst. (…) Hallo? Hört mir eigentlich irgendjemand zu? Hey, Mom, hey, Dad?
Hier wird aufs Neue deutlich, was Morton Rhue beim Schreiben wichtig ist: Jugendliche sollen spüren, dass seine Geschichten direkt mit ihrer Lebenswirklichkeit zu tun haben. Dass jeder ein kleines bisschen Fame Junkie ist. Dass es in der Pubertät wichtig ist, sich beim Wertesuchen nicht auf Irrwegen festzufahren, so wie es Avy tut. Dies alles mag etwas lehrmeisterhaft klingen, aber der oben zitierte Textausschnitt verdeutlicht, dass es Rhue gelingt, all dies ohne erhobenen Zeigefinger zu vermitteln. Ein freundliches Schulterklopfen wäre eine passendere Metapher für Rhues Art, jungen Menschen mit Verständnis zu begegnen und dabei ein bisschen Lebensweisheit zu vermitteln.
Lieben und geliebt werden
Auch Jamies Geschichte nimmt eine düstere Wendung. Am Morgen nach einer Party in Willows Villa entdeckt sie erschreckende Fotos auf ihrer Kamera. Bilder, die Willows Karriere mit einem Schlag beenden könnten. Auf einmal wird Jamie von Willows »neuer Freundin« zur Gejagten.
Rhue spielt hier meisterhaft mit den Emotionen der Leser. Denn natürlich fühlt man sich beim Lesen über den Voyeurismus Jamies erhaben, die ständig versucht, exklusive und aufregende Bilder von Stars zu schießen. Doch da Morton Rhue nicht gleich verrät, was auf dem Bild von Willow zu sehen ist, wird man durch die eigene Sensationslust angetrieben, »Fame Junkies« noch schneller zu lesen. Und das nur, um zu erfahren, was auf Bildern mit einem fiktiven Hollywoodstar zu sehen ist! Der gleiche Mechanismus der Neugier, dessen sich Hochglanzmagazine bedienen, wird auch von Rhue verwendet, um seinen Lesern ihre eigene Überheblichkeit und Fehlbarkeit vorzuführen.
An dieser Stelle allerdings kann verraten werden, dass die Fotos auf der Kamera Willow beim Koksen zeigen. Jamie ist erschüttert. Dann belauscht sie ein Gespräch zwischen Rex und Willow. Es wird klar, dass Rex die Fotos gemacht hat, wohl als kleine Alberei, und später vergessen hat, sie wieder zu löschen. Das tut ihm unendlich leid und er schwört Willow, alles zu tun, um die Sache wieder in Ordnung zu bringen. Was Jamie jetzt hört, reißt sie aus all ihren rosaroten Träumen über Hollywood. »Du willst sie in Ordnung bringen? Dann zieh los und such die kleine Schlampe, hol dir die Kamera und dreh ihr den Hals um.«
Ich bin so erstaunt, dass es einen Moment dauert, bis ich begriffen habe, was sie gerade gesagt hat. Dreh ihr den Hals um.
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