Mosaik
Tuvok das letzte Datenmodul beiseite, faltete die Hände und musterte Kathryn ernst. Völlige Stille herrschte nun, und die junge Frau begriff, daß sie sich verteidigen und rechtfertigen mußte. Admiral Finnegan wandte sich ihr zu. Zwar sprach er ruhig, aber es erklang keine Nachgiebigkeit in seiner Stimme. »Es steht Ihnen frei, auf diese Vorwürfe zu antworten, Captain.«
Kathryn faßte sich wieder, ordnete ihre Gedanken und stand auf.
»Sir, ich bin in der Tradition von Starfleet aufgewachsen. Die Grundsätze dieser Organisation habe ich schon ganz früh gelernt; ich bewundere und respektiere sie.« Ihr Blick glitt über die Gesichter der Anwesenden, sparte jedoch Tuvok aus.
»Für mich ist Starfleet immer und vor allem eine Institution gewesen, die der Erforschung des Alls gilt. Ihre wichtigste Aufgabe besteht darin, Wissen zu sammeln, fremde Welten zu erforschen und freundschaftliche Beziehungen mit anderen Völkern herzustellen.
Das ist unsere Hauptaufgabe – sie kann kaum ehrenhafter sein.«
Kathryn sah jetzt Admiral Finnegan an. »Genau genommen ist Starfleet keine militärische Organisation. Nur im
Verteidigungsfall nimmt sie entsprechende Funktionen wahr. Die militärischen Aspekte von Starfleet – zum Beispiel
Kommandostruktur und Nomenklatur – sind in erster Linie ein Gerüst, in dem die Starfleet-Angehörigen auf der Grundlage klarer Regeln tätig werden.«
Sie drehte den Kopf und richtete ihren Blick auf Tuvok, bohrte ihn in seine dunklen Augen. »Taktische Funktionen, Testeinsätze der Waffensysteme, Kampfmanöver – solche Aktivitäten haben für mich eine niedrige Priorität. Solange ich sicher bin, daß wir uns im Fall eines Angriffs wirkungsvoll verteidigen können, halte ich es nicht für notwendig, viel Zeit zu investieren, um die Crew für den Krieg zu rüsten. Ich habe sichergestellt, daß die Waffensysteme funktionierten und die Besatzung auf alles vorbereitet war; damit wurde allen taktischen Erfordernissen Genüge getan.«
Kathryn sah den Vulkanier noch einige Sekunden länger an.
Dann kehrte ihr Blick zu Admiral Finnegan zurück, dessen Gesicht jetzt einer ausdruckslosen Maske gleichkam.
»Irgendwelche Kommentare, Fähnrich?« fragte er.
Tuvok stand auf, aber Kathryn setzte sich nicht. Sie standen sich gegenüber, jeweils am Ende des Tisches, wie zwei Gladiatoren in der Arena. Kathryns Herz klopfte noch immer, doch der
Vulkanier wirkte völlig gelassen. Ebensogut hätte er über die Entwicklung des Wetters sprechen oder das Abendessen bestellen können. Kathryn glaubte, daß sie die Vulkanier und ihre eisige Reserviertheit nie verstehen würde. Wie konnte man den Fähigkeiten von Personen vertrauen, die alles Emotionale verbannten? Sie erinnerte sich plötzlich an die demütigende Niederlage beim Tennismatch gegen Shalarik vor vielen Jahren, und alte Wunden rissen in ihr auf. Diesmal durfte sie nicht versagen; dieser Vulkanier durfte keinen Sieg über sie erringen.
»Der Idealismus des Captains ist natürlich bewundernswert«, sagte Tuvok. »Doch die von ihr erwähnte Struktur stellt den wesentlichen Teil einer reibungslos funktionierenden
Organisation dar. Regeln und Vorschriften existieren nicht im leeren Raum, dienen vielmehr einem spezifischen Zweck.
Starfleet Command legt jene Regeln fest, und ich bin sicher, daß man dort sorgfältig über sie nachdenkt. Wir können also davon ausgehen, daß es für jede Vorschrift einen guten Grund gibt.«
Jetzt fing er Kathryns Blick ein und hielt ihn fest. »Wenn es dem Individuum überlassen bleibt zu entscheiden, welche Regeln unter welchen Umständen beachtet werden müssen, so verlieren sie ihre Bedeutung. Das unausweichliche Resultat wäre Anarchie.
Das von mir erwähnte reibungslose Funktionieren erfolgt nicht spontan; es erfordert einen Preis, der bezahlt werden muß.«
Kathryn spürte die Blickte der drei Admiräle auf sich ruhen.
»Möchten Sie noch etwas sagen, Captain?« fragte Finnegan.
Sie holte tief Luft, sah Tuvok an und erwiderte: »Das
Kommando über ein Raumschiff, das viele Monate lang in den Weiten des Alls unterwegs ist, erfordert naturgemäß einen breiten Ermessensspielraum. Ein Captain muß in der Lage sein, mit ungewöhnlichen Situationen fertig zu werden und seine
Reaktionen den Umständen anzupassen. Wer sich sklavisch an die Regeln hält, verliert gerade jene Individualität, durch die sich die besten Offiziere Starfleets auszeichnen. Um es noch einmal zu betonen: Wenn die Sicherheit von
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