Moser Und Der Tote Vom Tunnel
Armen erheblich. Das später sichergestellte Gewehr war eine französische Jagdwaffe.
Der Attentäter Karl Nobiling verletzte sich anschließend bei einem Selbstmordversuch und konnte von den Berliner Kollegen gestellt werden. Offensichtlich handelte es sich ebenfalls um einen fanatischen Gegner der Monarchie.«
»Es grenzt fast schon an ein Wunder, dass sich der greise Kaiser von seinen Verwundungen erholte …«, stellte Moser fest, »immerhin hat er offensichtlich schon drei Mordanschläge überstanden …Hoffentlich war das von uns sichergestellte Gewehr nicht für ein weiteres Attentat auf unser Staatsoberhaupt bestimmt.«
»Meinen Sie wirklich?«, meldete sich Greiner zu Wort.
»Ausschließen können wir dies zumindest zum jetzigen Zeitpunkt nicht. Aber es muss ja nicht unbedingt der Deutsche Kaiser sein. Es gäbe noch genug andere hochgestellte Persönlichkeiten, die Ziel eines geplanten Attentats sein könnten. Monarchen leben in der heutigen Zeit gefährlich«, resümierte Moser.
In diesem Moment kam Dr. Bittig herein und übergab Moser seinen Untersuchungsbericht. Dieser bedankte sich und erklärte, er wolle den Bericht am nächsten Abend im Hotel studieren.
Im Laufe des Morgens war der Schnee in Regen übergegangen und eine nasse Kälte zog durch die Stadt. Moser drängte die Kollegen, trotz des Wetters, mit ihm noch am Vormittag den Tatort zu besichtigen, da er schließlich möglichst bald nach München zurückwollte.
Der Tatort
Sehnert ließ anspannen und bestieg mit Moser und Greiner im Hof des Bezirksamtes den Wagen. Er bat den Kutscher, diesmal die alte Straße zur Kaltenbach zu nehmen. Deshalb bog die Chaise jenseits des Hombrunnerhofes nach Münchweiler ab und fuhr über den Tunnel ins Waschtal. An einem Bahnübergang östlich des Grabeneinschnitts vor dem Tunnelportal ließ Sehnert anhalten.
»Hier, Herr Kriminalrat, fand die Explosion statt. Wie Sie erkennen, wurden die Gleise inzwischen repariert. Sehen Sie, da links vom Gleiskörper: Das ist der von der Explosion in den Einschnitt gerissene Krater. Dort hinten, auf der rechten Seite, steht das Wohnhaus des Tunnelwärters, an dem wir vorhin vorbeifuhren«, erklärte er. Dann bat Sehnert den Kutscher, Richtung Eisenbahnerlager weiterzufahren, um auf halbem Weg abermals anzuhalten.
»So, nun geht es nur noch zu Fuß weiter. Ich hoffe, Sie haben beide entsprechendes Schuhwerk. Denn der Schneematsch ist sehr unangenehm«, bemerkte Sehnert und stapfte mit Moser und Greiner den Hang südlich der Straße hinauf. Moser hatte mehr Angst um seinen neuen Lodenmantel als um seine Schuhe; er fühlte sich nicht allzu wohl in seiner Rolle als ›Bergsteiger‹.
Nach einigen Metern Aufstieg über Stock und Stein blieb Sehnert an einem kleinen Felsüberhang stehen. »Das ist die Stelle«, erklärte er, »hier hat die Frau des Tunnelwärters die Leiche entdeckt. Würde nicht so viel Schnee liegen, könnten Sie erkennen, dass vor dem kleinen Felsen ein Pfad verläuft, der dort drüben nach der Biegung direkt zum Bauarbeiterlager hinunterführt.«
»Das heißt, wir hätten also auch diesen Weg nehmen können und nicht querfeldein den Hang hinaufkraxeln müssen. Bedenken Sie mein Alter …«, bemängelte Moser laut keuchend.
»Im Moment sollte man es besser vermeiden, diesen Pfad zu benutzen, denn auf halber Strecke fließt ein Rinnsal aus einer Quelle über den Weg, der dort völlig vereist ist. Schätze, dass die Eisschicht unter dem tauenden Schnee sicher noch viel unangenehmer gewesen wäre als dieser kurze Aufstieg«, meinte Sehnert.
Moser ging suchend um den Felsvorsprung herum und beugte sich über den glatten Felsboden unter dem Überhang, wo die Leiche gefunden wurde. Er murmelte etwas, was seine beiden Begleiter nicht verstehen konnten. In einem unbemerkten Augenblick raunzte Greiner: »… dieser Moser hat ja an allem was auszusetzen …«
»Pscht, Greiner. Der Mann ist ein Ass. Egal, wie schrullig er erscheint. Bisher hat er noch jeden Fall gelöst, den man ihm anvertraut hat. Lassen Sie ihn ruhig machen. Außerdem hat er beste Beziehungen zu den höchsten Kreisen im Justizministerium …, denken Sie an Ihre Beförderung …«, wisperte Sehnert.
»Ach, Sehnert, haben Sie vielleicht ein Taschentuch, das Sie mir geben könnten?«, fragte Moser, der immer noch in gebückter Haltung unter dem Felsvorsprung kauerte.
Sehnert reichte Moser das gewünschte Taschentuch, mit dem dieser etwas aus einer kleinen Felsspalte zog.
Weitere Kostenlose Bücher