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Moser Und Der Tote Vom Tunnel

Moser Und Der Tote Vom Tunnel

Titel: Moser Und Der Tote Vom Tunnel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Baehr
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hatte er nicht noch einmal selber nachgesehen, als Greiner den Spind untersucht hatte …
    »Helfrich, lassen Sie uns lieber hinüber in die Bauleiterbaracke gehen. Hier ist es zu dunkel, außerdem habe ich das Gefühl, dass wir beobachtet werden«, bat Moser mit einem kurzen Blick auf die schlafenden Arbeiter.
    In der Baracke des Bauleiters eingetroffen, begrüßte sie Kettenring, der mittlerweile von seinem Baustellentermin zurück war.
    Sehnert erzählte ihm kurz vom Fund des Zettels. Kettenring zündete die Petroleumlampe auf seinem Schreibtisch an, neben dem Moser Platz nahm. Er entfaltete vorsichtig das Blatt Papier, das sich als Teil eines größeren Bogens erwies.
    »So, so, hier steht etwas gedruckt. Wie eine Überschrift. Leider ist die Buchstabenreihe nicht vollständig, denn offensichtlich war der Text zweisprachig. Die obere Zeile ist sicher ungarisch. Das werden wir noch überprüfen. Aber die nächste Zeile; hier steht: Freiheit für Ung… Der Rest ist abgeschnitten, aber es heißt eindeutig: Ungarn. Leider ist der daruntergesetzte Text eingerückt. Sehen Sie …, hier sind nur Teile der Anfangsbuchstaben der Zeilen noch erkennbar«, dozierte Moser.
    Die anderen Herren waren verwundert über den Fund. »Interessant, interessant«, redete Moser weiter, »schätze, dass es sich bei dem Papier um den Teil eines Flugblattes handelt. Auch in München sind wiederholt solche zweisprachigen Pamphlete aufgetaucht, die von irgendwelchen ungarischen Rebellen unter die Leute gebracht wurden …«
    »Dürfte ich das Blatt einmal in die Hand nehmen, Herr Kriminalrat?«, fragte Sehnert.
    »Bitte!«
    Der Inspektor nahm das Papier und hielt es gegen das Licht der Lampe. Dann drehte er es um. »Oh, auf der Rückseite ist eine handschriftliche Aufschrift«, erkannte Sehnert.
    »Geben Sie es noch einmal her!«, forderte Moser. »In der Tat …, sieht aus wie die Adresse eines Gasthauses. Hier steht: Einkehrgasthaus Reibold, darunter die Abkürzung St. a.d.M. Merkwürdig, das ist doch bestimmt ein Ort, der mit St. abgekürzt ist. Steinheim, Straubing, Starnberg …, aber was soll dann der Zusatz ›a.d.M‹? Muss doch sicher ein Flussname sein. Aber mit M …; …, könnte ja der Main sein, nur passt dann ›a.d.‹ nicht, was bestimmt ›an der‹ heißt. Sehnert, das bekommen wir noch heraus. Haben Sie vielleicht einen Umschlag bei sich, in den wir diesen Fund verpacken können? Werde ihn zunächst in meiner Jackentasche sicherstellen. Ich würde jetzt nämlich gern die übrigen ungarischen Arbeiter befragen. Lassen Sie uns zurück in die Baracke der Ungarn gehen. Ich hoffe, dass einer so gut Deutsch versteht, dass er als Übersetzer fungieren kann.«

Ein geheimnisvoller Fremder
     
     
    »Unter den Arbeitern ist einer, der sich Géza nennt und recht gut Deutsch spricht. Er soll längere Zeit in Wien gelebt haben. Er könnte sicher als Übersetzer dienen. Nur garantiere ich nicht, dass er auch wirklich das weitergibt, was wir sagen …«, meinte Kettenring, »er sitzt dahinten.«
     
    Die Luft in der Baracke war schlecht, außerdem drang kaum Tageslicht durch die Spalten der großenteils geschlossenen Klappläden. Moser und seine Kollegen mussten sich erst an die Verhältnisse in der Baracke gewöhnen. Auf einer Pritsche in der Nähe der Rückwand saßen drei Arbeiter im fahlen Schein eines Kienspans und vergnügten sich mit einem Würfelspiel. Einer war Géza, ein etwa dreißigjähriger kleiner Mann mit dunklen Locken und einem roten Wams. Kettenring stellte ihn Moser und seinen Begleitern vor.
    Der Kriminalrat begann sofort mit gezielten Fragen, was Géza über den Mann wusste, der sich Zoltán Koloman nannte. Géza, dessen Nachname für Moser unaussprechlich klang, konnte jedoch nicht viel über den Toten sagen. Nur, dass auch er aus Ungarn stammte und im Herbst bei den Pfälzischen Eisenbahnen als Gleisbauarbeiter angeheuert hatte. Er gehörte nicht zur Gruppe aus Ungarn, die über einen Mittelsmann in Wien angeworben wurden, sondern stieß erst später dazu.
    Géza glaubte, dass Koloman keine Erfahrungen im Gleisbau besaß und sich bei der Arbeit eher drückte. Außerdem hatte er so gut wie keinen Kontakt zu seinen Kameraden. Er saß die meiste Zeit auf seiner Pritsche und las, wenn er nicht auf der Schicht war.
    »So, so, er konnte also lesen«, stellte Moser fest. »Das ist ja bei ausländischen Arbeitern keineswegs die Regel. Was hat er denn gelesen?« Géza meinte, es habe sich wohl um irgendwelche politische

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