Moser Und Der Tote Vom Tunnel
Gleisbaustelle mitten im Wald befindet, wo man schnell unbemerkt mit der Beute entkommen kann. Wir sollten noch einmal nachhaken, ob nicht schon mehrfach entsprechende Entdeckungen gemacht wurden«, stellte der Kriminalrat fest.
Während Moser genüsslich seine rote Grütze aß, stellte Sehnert weitere Fragen: »Was hat es überhaupt mit dem Gewehr auf sich? Was will man denn mit einem einzigen Gewehr in Einzelteilen anfangen? Nach unseren Untersuchungen wurde die Waffe übrigens nicht in ihre Einzelteile zerlegt, sondern die Teile sind fabrikneu und waren noch nie zusammengesetzt gewesen. Es gibt auch keine Gebrauchsspuren.«
»Oh, lieber Sehnert, das ist doch ein wichtiger Hinweis. Demnach wurde das Gewehr nicht als Ganzes irgendwo erworben oder gestohlen. Es scheint so zu sein, dass unsere Waffe das Werk in Châtellerault nie fertig verlassen hat. Vielmehr hat man die Einzelteile nach und nach aus der Fabrik geschmuggelt. Mein Instinkt sagt mir, dass die Lieferung in Einzelteilen sicher durchaus im Sinn des Empfängers war. So lässt sich viel leichter eine Kopie des Gewehres herstellen. Denn wie Sie schon richtig bemerkt haben, Sehnert: mit einer einzigen Waffe ist kaum etwas anzufangen; es sei denn, man plant nur ein einziges Attentat. Aber die Teile sind nachzubauen und man kann eine Serienproduktion der Waffe aufnehmen. Sozusagen als Lizenzprodukt, ha, ha, ha. Abnehmer für solche Gewehre gibt es schließlich genug.«
Moser und Sehnert fuhren auf der alten Straße, die über den Scheitel des Tunnels führte, zum Arbeiterlager zurück. Der Kriminalrat bat den Kutscher, noch einmal am östlichen Tunnelmund anzuhalten. Er wollte sich die Situation vor Ort erneut ansehen, um herauszufinden, ob man an dieser Stelle tatsächlich Schmuggelgut aus einem Zug werfen und beiseite schaffen konnte, wie er vermutet hatte.
»Sehen Sie, Sehnert«, meinte er, als ein Personenzug aus Richtung Zweibrücken aus dem Tunnel auftauchte, »dort unten wäre eine ideale Stelle. Der Lokführer muss wegen des Baustellensignals langsam fahren. Auf der Südseite begleitet ein kleiner Wasserlauf den Gleiskörper, der offensichtlich durch eine wohl beim Tunnelbau angestochene Quelle gespeist wird. Und da, Sehnert, nach den Wänden des Grabeneinschnitts vor dem Tunnel führt ein kleiner Steg über die Wasserrinne in den Wald. Denke, es handelt sich hierbei um den Dienstweg des Tunnelwärters. Wenn man etwas genau auf Höhe des Steges aus dem Zug wirft, braucht man dort zur vereinbarten Zeit nur einen Komplizen zu postieren, der damit im Wald verschwindet. Würde sagen, der letzte Wagen des Zuges ist besser für so ein Vorhaben geeignet als die Lok oder die ersten Wagen, da die aus dem Fenster blickenden Reisenden sonst vielleicht etwas sehen könnten.
Wir sollten nachher unbedingt noch einmal dem Tunnelwärter in diesem Postenhaus einen Besuch abstatten, sofern er da ist. Aber lassen Sie uns erst noch ins Lager fahren. Hoffentlich treffen wir Serini an. Ich habe nämlich quasi einen Anschlag auf ihn vor …«
In der Bauleiterbaracke wollte sich Ingenieur Serini, der gegen Mittag gekommen war, gerade verabschieden und mit einem Bauzug weiter nach Zweibrücken fahren, als Moser und Sehnert eintraten.
Der Kriminalrat begrüßte Serini und erklärte ihm: »Lieber Herr Ingenieur, ich habe mir vorhin die vermutliche Abwurfstelle unseres Gewehres angesehen und würde gern einmal den gleichen Weg nehmen wie diese Waffe.«
»Wie soll ich das verstehen?«, antwortete Serini, »Es fahren doch viele Personenzüge durch den Tunnel. Sie können einfach einen dieser Züge benutzen.«
»Ja, schon, aber ich meine keine Fahrt in einem Personenwagen, sondern auf der Lokomotive eines Schnellzuges.«
»Wie stellen Sie sich das vor? Der Führerstand einer Lokomotive darf nur von autorisiertem Bahnpersonal betreten werden. Auf der Lok kann niemand mitfahren, der kein Eisenbahner ist.«
»Ich denke, in diesem Fall muss eine Ausnahme gemacht werden«, konterte Moser, »ich möchte mir von einer Lokomotive aus ein Bild davon machen, wie sich die Langsamfahrstelle am Tunnel aus der Perspektive des Lokführers ansieht. Nach wie vor ist nicht ausgeschlossen, dass die Teile des Châtellerault-Gewehrs von einer Lok abgeworfen wurden. Da es sich um einen wesentlichen Teil meiner Ermittlungen handelt, bitte ich Sie um entsprechende Veranlassungen. Am besten sollte auch Sehnert mitfahren.«
»Das geht gar nicht, Herr Kriminalrat«, erklärte Serini, »Sie
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