Moser Und Der Tote Vom Tunnel
haben keine Vorstellung, wie eng es auf dem Führerstand einer Lok zugeht. Der Platz reicht gerade für den Lokführer und den Heizer. Besonders bei der Bedienung einer Schnellzuglokomotive muss jeder Handgriff sitzen, da dürfen keine Personen im Weg stehen.«
»Also ich muss wenigstens mitfahren.«
»Gut, meinetwegen. Ich werde mit der Direktion sprechen, was sich machen lässt. Wenn Sie auf einer Schnellzuglok durch den Tunnel mitfahren wollen, müssen Sie auf der Station Biebermühle zusteigen, da die D-Züge zwischen diesem Bahnhof und dem Münchweiler Tunnel nicht halten. Der nächste Halt ist dann auf der Kaltenbach, wo Sie die Lok wieder verlassen. Werde Ihnen ins Hotel eine Nachricht schicken, ob und wann die Sache möglich ist.«
Serini regte sich innerlich über den Kriminalrat auf. Ein Nicht-Eisenbahner auf einer Lok, die durch einen neunhundert Meter langen Tunnel fährt …Eigentlich undenkbar.
Aber Moser schien genau zu wissen, was er wollte und würde sicher so lange hartnäckig bleiben, bis er seine Mitfahrt durchgesetzt hätte.
Die beiden Herren verabschiedeten sich dankend bei Serini und bestiegen ihren Wagen. Unterwegs stellte Moser fest: »Anscheinend machen wir denen im Lager ganz schön Ärger, aber man wäre gut beraten, mit uns zu kooperieren …«
»Bin mal gespannt, ob Sie auf einer Lok mitfahren können. Mich würde das ehrlich gesagt auch einmal interessieren«, meinte Sehnert.
Im Haus des Tunnelwärters
Moser ließ den Kutscher vor dem Gebäude 471 der Pfälzischen Eisenbahnen, dem Wohnhaus des Tunnelwärters, halten. Tunnelwärter Krautwurst wurde jedoch nicht angetroffen; er war wenige Minuten zuvor zu einer Inspektion des westlichen Tunnelportals aufgebrochen, wo starkes Tauwasser einige Gesteinsbrocken ausgespült hatte. Auch Krautwursts Frau war nicht anwesend, sondern mit den Kindern im Wald Holz sammeln. Lediglich der alte Krautwurst saß auf einem Hocker neben dem Herd und sorgte dafür, dass das Feuer nicht ausging.
Er freute sich offensichtlich über den unerwarteten Besuch. Moser und Sehnert setzten sich auf die Bank hinter dem Küchentisch und begannen mit der Befragung.
»Herr Krautwurst«, fing Moser an, »Sie waren ja sicher etliche Jahre bei der Pfalzbahn. Nehme an, dass Sie sofort nach der Eröffnung der Strecke auf diesen Posten gesetzt wurden.«
»Ja, mein Herr«, antwortete Krautwurst, »ich bin schon seit anno 49 bei der Bahn. Nächstes Jahr werden es vierzig Jahre, aber seit vorletztem Jahr ist nun mein Sohn der Tunnelwärter und ich bekomme eine kleine Summe aus der Alterskasse. Zunächst war ich Gleisarbeiter, dann lange Streckenwärter zwischen Homburg und Zweibrücken. Und anno 74 haben die mich hierher in den Wald versetzt. Der Tunnel war noch gar nicht fertig, wurde erst ein Jahr später in Betrieb genommen.«
Moser schoss durch den Kopf, ob es möglich wäre, dass der Alte oder sein Sohn in den Waffenschmuggel verwickelt sein könnten.
»So, so«, meinte er, »da haben Sie ja schon einiges erlebt. Sagen Sie mal, ist Ihnen vielleicht irgendwann einmal aufgefallen, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zuging?«
»Ach, eigentlich ist es hier ja sehr ruhig. Wir sind allein mitten im Wald. Wenn nicht ab und zu ein Zug vorbeischnauben würde, könnte man meinen, wir sind allein auf der Welt. Erst seitdem die das zweite Gleis bauen, ist es vorbei mit der Ruhe. Nun hört man regelmäßig das Horn, wenn die Arbeiter vor dem herannahenden Zug gewarnt werden. Die Lokführer pfeifen jetzt auch. Außerdem haben die vor Kurzem ein Läutwerk vor dem Haus installiert, das die Züge ankündigt«, erzählte Krautwurst.
»Führen Sie denn auch Zugmeldebücher?«, wollte Sehnert wissen.
»Nein, das macht der Bahnwärterposten vor der Kaltenbach, der über einen Telegrafen mit den Bahnhöfen Kaltenbach und Münchweiler verbunden ist. Hier ist nur eine Wohnung. Schade, dass Sie im Winter gekommen sind. Sonst hätte ich Ihnen gern mein Würzgärtlein gezeigt. Ist mein ganzer Stolz«, sagte der alte Krautwurst.
»Nun, wir möchten gern wissen, ob Ihnen bekannt ist, dass man hier in der Umgebung vielleicht ab und zu etwas aus den fahrenden Zügen abwirft«, wechselte Moser wieder zum Thema.
»Bis zu den Bauarbeiten fuhren die Züge sehr schnell aus dem Tunnel, die Strecke hat bis zur Station Kaltenbach ein ordentliches Gefälle. Wenn man hier etwas abgeworfen hätte, wäre es wohl kaum heil geblieben. Aber seit die im Herbst mit dem zweiten Gleis
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