Moser Und Der Tote Vom Tunnel
Moser und ging mit Kettenring in dessen Baracke zurück. Sehnert hatte inzwischen alle Lohnlisten durchforstet, jedoch keinen einschlägig bekannten Namen entdeckt, was ihn auch nicht wunderte, da viele Arbeiter sich unter falschem Namen anmeldeten. Auf den Gleisbaustellen fragte kaum jemand nach der Herkunft der Leute. Man konnte dort recht gutes Geld verdienen, weshalb viele zwielichtige Gestalten in solchen Arbeiterlagern bei der Bahn anzutreffen waren, um unterzutauchen und anschließend zur nächsten Baustelle weiterzuziehen.
Im nächsten Augenblick kam Helfrich mit den Worten: »Kommen Sie schnell, der geheimnisvolle Fremde ist wieder da!«, aufgeregt herein. Moser, Sehnert und Kettenring rannten vor die Baracke und folgten Helfrich zur Unterkunft der Ungarn. Der Fremde war jedoch nirgends zu sehen.
»Eben war er doch noch da …«, sagte Helfrich, ganz außer Atem. »Er schlich um die Baracke und schaute in die Fenster. Und jetzt ist er weg? Wir müssen sofort einen Suchtrupp losschicken.«
Offenbar war der Mann spurlos verschwunden; er hatte sich genauso lautlos entfernt, wie er gekommen war. Moser meinte: »Lassen Sie es gut sein, Helfrich. Der ist längst über alle Berge. Ringsum ist Wald, weshalb man sich hier prima verstecken kann. Nehme an, dass er bald wiederkommt. Denn anscheinend sucht er was. Und hat es offensichtlich noch nicht gefunden …«
»Was könnte das wohl sein?«, wollte Kettenring wissen.
»Na …,vielleicht etwas, was Koloman besaß oder verwahrte. Möglicherweise sucht er auch nach dem Fund in der Kiste. Sicher hat dieser Gegenstand eine Bedeutung in unserem Mordfall …«, erklärte Moser.
Da jegliche Suche nach dem verschwundenen Fremden zwecklos erschien und es schon nach zwölf war, beschlossen Moser und Sehnert, ein Mittagessen einzunehmen. Sehnert schlug vor, zur ›Krone‹ nach Münchweiler zu fahren, wo man gut essen und sich aufwärmen konnte.
Beim Mittagessen in der Krone
Nachdem das Geschirr abgetragen war und die Herren auf das Dessert warteten, sinnierte Moser: »Irgendwie müssen wir etwas übersehen haben, Sehnert … Sicher hat dieser merkwürdige Zettel, also das Stück von diesem Pamphlet aus Kolomans Sachen, eine Bedeutung, die wir noch nicht kennen.«
»Ja, Herr Moser. Das sehe ich auch so. Außerdem geht mir durch den Kopf, wie eigentlich die Einzelteile dieses französischen Gewehres hier zu uns in den Wasgau kamen. Ich kann es mir nur so erklären, dass sie mit der Bahn transportiert wurden. Täglich fahren drei Schnellzüge aus Paris über die Strecke und durch den Münchweiler Tunnel. Mich wundert aber, dass die Teile nicht von den Zöllnern an der Grenze entdeckt wurden, weil die Passagiere und Wagen durch die Kollegen aus Elsass-Lothringen bei der Einreise ins Reich streng kontrolliert werden«, gab Sehnert zu bedenken.
»Nun, wer sagt denn, dass die Einzelteile des Gewehrs durch einen normalen Reisenden in einem Personenwagen ins Reich geschmuggelt wurden …«, erwiderte der Kriminalrat.
»Aber die Güterzüge und die Koffer in den Gepäckwagen der Personenzüge werden durch den Zoll ebenfalls streng kontrolliert«, stellte Sehnert fest.
»Stimmt, aber werden denn auch das Personal beziehungsweise dessen Aufenthaltsraum in den Gepäckwagen genauso streng überprüft? Und was ist mit den Lokführern und Heizern? Die können auf der Maschine viel mitnehmen, ohne dass es auffällt. Auch die Bremserhäuschen werden wohl kaum genau kontrolliert. Ich könnte mir sehr gut vorstellen, unser Schmuggler – wenn es denn einen gibt – gehört zum Bahnpersonal.«
Sehnert erwiderte: »Das kann gut sein. Vielleicht wurde das Bündel mit den Einzelteilen des Gewehrs ja am Münchweiler Tunnel aus einem fahrenden Zug geworfen. Durch die Baustelle am östlichen Tunnelportal müssen die Züge im Moment langsam fahren und die Lokomotiven qualmen ganz ordentlich, wenn sie aus dem Tunnel rollen, wie wir gesehen haben. Da könnte man sicher unbemerkt etwas von der Lok oder von einem der Wagen werfen.«
»Aber, lieber Sehnert, das setzt voraus, dass der Gegenstand sofort von jemand in Empfang genommen wird. Es stellt sich auch die Frage, ob auf diesem Weg nicht schon mehrfach Schmuggelgut in diese Gegend gekommen ist. Ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass man nicht schon länger auf diese Idee gekommen sein soll. Schließlich sind die Bedingungen ideal: Da fahren Züge aus Frankreich langsam durch einen langen Tunnel, an dessen Ende sich eine
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