Moser Und Der Tote Vom Tunnel
war.«
»Ich weiß wirklich nicht, wer innerhalb des Lagers unser Verbindungsmann war. Aber eines Tages hatte ich gleich zwei größere Pakete abgeworfen und sah, dass der Ungar nicht allein war.«
»Ah, Sie haben ihn also doch gesehen! Wer war denn bei ihm?«
»Den Mann kannte ich nicht. Aber er hatte eine Glatze und eine rundliche Figur. Ach ja, er trug eine Schürze, wie sie Köche anhaben.«
»Danke, Trautmann, das genügt fürs Erste. Klein, lassen Sie ihn bitte wieder in seine Zelle bringen«, sagte Moser.
»Bin ich denn immer noch verdächtig, den Ungarn umgebracht zu haben?«, wollte Trautmann leichenblass wissen. Moser grinste und meinte nur: »Wir werden sehen …«
Als Trautmann wieder abgeführt worden war, verfinsterte sich Mosers Blick. Er sagte zu seinen Kollegen: »Es sieht ganz so aus, als hätte Müller die Wahrheit gesagt. Er war offenbar nicht der örtliche Verbindungsmann von Somody. Dagegen hat Trautmann eindeutig diesen Koch aus dem Eisenbahnerlager beschrieben. Es spricht vieles dafür, dass er der gesuchte Komplize ist.«
»Ja, aber glauben Sie, Herr Kriminalrat«, äußerte Klein, »der Koch ist dann auch der Mörder? Immerhin stammt die Tatwaffe aus seinen Beständen, soviel ich weiß.«
»Obwohl es im Moment ganz so aussieht: Ich glaube es nicht. Welches Motiv hätte Jung, der Koch, gehabt, seinen Komplizen Somody umzubringen? Selbst wenn es zwischen den beiden zum Streit wegen der Bezahlung gekommen sein sollte, waren sie doch beide mehr oder weniger aufeinander angewiesen. Hätte Jung Somody beseitigt, wäre die Geldquelle zwangsläufig versiegt«, erklärte Moser.
»Und wieso könnte die Sache nicht so gewesen sein«, warf Sehnert ein, »dass Tschulnigg doch Somody aus dem Weg geräumt hat, weil dieser aussteigen wollte, jedoch zu viel wusste?«
»Nun, das ging mir vorgestern auf der Fahrt ebenfalls durch den Kopf. Man sollte jedoch berücksichtigen, dass Somody ein ungarischer Patriot war und an den Segen eines Umsturzes in seinem Heimatland glaubte; egal, was wir nun davon halten. So, wie ich seine Geliebte verstanden habe, wäre er nie bereit gewesen, etwas Illegales zu tun. Das stimmt ja nun nicht ganz, wie wir wissen. Aber er setzte sich anscheinend nur für den Freiheitskampf ein, weil er davon überzeugt war. Wahrscheinlich hielt Somody diesen Waffenschmuggel für die einzige Möglichkeit, das Ziel zu erreichen. Auch, wenn er so ganz nebenbei daran verdiente.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass es tatsächlich zwischen Tschulnigg und Somody zu einem tödlichen Streit kam. Außerdem schienen die beiden wirklich Freunde zu sein.«
Nach wie vor gab es keinen Durchbruch in der Mordsache 1888. Moser wies Klein an, den Kollegen vom Gendarmerieposten in Dahn telegrafisch zu verständigen, er solle ihn und Sehnert am Bahnhof Kaltenbach um kurz vor vier abholen und zum Eisenbahnerlager begleiten. Der Kriminalrat wollte noch am selben Tag Jung, den Koch, verhören.
Wieder am Tunnel
Auf der Fahrt nach Kaltenbach starrte Moser die ganze Zeit aus dem Abteilfenster. Er nahm kaum wahr, dass die Felsen bei Wilgartswiesen in der herbstlichen Nachmittagssonne förmlich glühten. Heute hatte er absolut keinen Sinn für Naturschönheiten, sondern überlegte angestrengt, wie er diesen Koch zu einer Aussage verleiten könnte.
Die Kutsche des Dahner Kollegen namens Burkhardt wartete am Bahnhof Kaltenbach. Die Fahrt zum Arbeiterlager am Münchweiler Tunnel ging über die holprige alte Straße, welche Moser nur allzu vertraut war.
Moser ließ bei der Unterführung kurz vor dem Lager anhalten und meinte: »Es würde zu viel Aufsehen erregen, wenn wir mit dem Wagen der Gendarmerie ankämen. Ich schlage deshalb vor, Sehnert und ich nähern uns von hier aus zu Fuß dem Lager. Die Vernehmung des Kochs möchte ich erst einmal unauffällig vornehmen.
Wäre Ihnen verbunden, Kollege Burkhardt, wenn Sie mit dem Kutscher einen Umweg nehmen und erst zeitversetzt von der anderen Seite zur Bauleiterbaracke kommen. Nehme an, es wird nachher erforderlich sein, diesen Jung festzunehmen …«
Moser verließ mit Sehnert den Wagen; beide gingen zu Fuß durch die Unterführung und erreichten nach wenigen Schritten das Bauleiterbüro. Offenbar hatte man den überwiegenden Teil der in den Baracken untergebrachten Arbeiter bereits abgezogen, weil der Streckenabschnitt weitgehend fertiggestellt war.
Bauleiter Kettenring staunte, als er plötzlich Moser mit Sehnert an seiner Tür stehen
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