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Moser Und Der Tote Vom Tunnel

Moser Und Der Tote Vom Tunnel

Titel: Moser Und Der Tote Vom Tunnel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Baehr
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Das Anwesen machte einen fast ländlichen Eindruck. Aus einem der Fenster im Obergeschoß blickte eine alte Frau in den Hof und musterte den Besucher genau. Anscheinend verirrte sich nur selten ein Fremder in diesen Stadtteil.
     
    Wieder auf der Straße, fand sich Moser in den verwinkelten Gassen nur schwer zurecht. Überall standen die einstöckigen, alten Grenadierhäuschen aus der Zeit des Landgrafen, dazwischen gab es Werkstätten und kleine Fabriken, aus denen trotz der vorgerückten Stunde am Samstagabend Maschinengeräusche drangen. Offenbar produzierten die Schuhfabriken rund um die Uhr. Außerdem waren erstaunlich viele Passanten unterwegs, die Moser freundlich grüßten. Vielleicht hielt man ihn für einen auswärtigen Leder- oder Schuhhändler.
     
    Auf dem Platz an der Einmündung von Neugasse und Kreuzgasse stand eine alte Linde mit einer Bank davor. Diese war gut besetzt von Arbeitern, die ihren Feierabend genossen.
    Moser verspürte Durst und war froh, als er die breite Winzler Straße erreichte. Der Kriminalrat beschloss, sich in einer Gaststätte neben der Ecke zur Kreuzgasse ein Bier zu gönnen.
    Der Gastraum war düster und spartanisch ausgestattet. Moser setzte sich an einen der Tische am Fenster. Der Wirt, ein behäbiger Mann um die fünfzig mit Glatze und blauer Schürze kam an seinen Tisch und fragte: »Was darf ich dem Herrn bringen?«
    »Bitte ein Bier vom Fass«, bestellte Moser.
    »Was für eins wollen Sie denn: Ein Bürgerbräu oder eins vom Seitz?«
    »Was empfehlen Sie mir denn? Haben Sie vielleicht auch Münchner Biere?«, wollte Moser wissen.
    »Na, wenn es sein muss … kann Ihnen natürlich auch ein Pschorr oder ein Paulaner bringen, wenn Sie das lieber wollen. Soll wohl wie in der Heimat schmecken …«.
    »Dann hätte ich gern ein dunkles Paulaner.«
    Der Wirt ging in den Keller, das entsprechende Bier zu zapfen. Er dachte für sich, diese Zwockel sind doch alle gleich. Sie wollen immer nur ihr Bier, das sie kennen. Dass es in Pirmasens durch das weiche Brauwasser ausgezeichnete Biere gibt, die den Vergleich zu den bayerischen nicht zu scheuen brauchen, ist den Herren aus dem Mutterland völlig egal. Nachdem immer wieder bayerische Beamte vom Bezirksamt in die Wirtschaft in der Winzler Straße kamen, war es unumgänglich, auch Münchner Biere zu führen.
     
    Moser war zufrieden mit dem Bier, ein kleiner Gruß aus der Heimat, wie er empfand. Er zündete sich genüsslich eine Zigarre an und nahm die Zeitung, die auf seinem Tisch lag. Allerdings interessierten ihn die Neuigkeiten nicht allzu sehr und er begann, die Gaststube zu mustern.
    Der nur schwach beleuchtete Raum erschien bis auf einige auf Karton gemalte Bilder fast kahl. Die Darstellungen waren durch jahrzehntelangen Zigarrenqualm fast bis zur Unkenntlichkeit verschmutzt. Auf einem der Bilder sah man einen Soldaten in bunter Uniform mit einem Gewehr. Offensichtlich musste das Bild sehr alt sein, denn solche Uniformen gab es schon lange nicht mehr.
    Die verrußten Kartons weckten Mosers Neugier und er fragte den Wirt, was es mit ihnen auf sich habe. Es stellte sich heraus, dass die Bilder noch aus der Landgrafenzeit stammten und Soldaten aus einem in Pirmasens vor einhundert Jahren stationierten Regiment zeigten.
    »Wissen Sie«, erklärte der Wirt, »der dort auf dem Bild neben der Tür zur Küche war mein Ururgroßvater, Heinrich Tournier. Er diente als Grenadier beim Landgrafen.«
    Der Wirt nahm das Bild von der Wand und zeigte es Moser. »Sehen Sie, hier ist sein Monogramm zu lesen: H. T. Das Bild stammt von 1782 und wurde vom alten Petzinger, dem Hofmaler des Landgrafen angefertigt. Es ist schon über einhundert Jahre alt …«
    Moser dachte für sich, dass die Landgrafenzeit anscheinend nach wie vor eine entscheidende Rolle in Pirmasens spielt, so wie damals, als er zum ersten Mal hier war.
     
    Von einem der Nebentische rief ein Gast: »Bitte zahlen!« Der Wirt ging zu ihm und ließ das Bild auf Mosers Tisch liegen. Der betrachtete es eingehend, wobei er vor sich hinmurmelte: »H. T.; schon wieder ein H. T. …«, und war sofort wieder im Dienst.
    Die Telegramme die Jung, der korrupte Koch des Eisenbahnerlagers, in Hauenstein abholte, waren mit ›H. T.‹ unterzeichnet. Eigentlich musste man davon ausgehen, dass es sich um Henri Trautmann, den verhafteten Schaffner handelte. Zumindest waren Moser bisher keine Zweifel daran gekommen. Aber mit letzter Sicherheit konnte man dies nicht sagen.
     
    Fühlte sich Trautmann

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