Moser Und Der Tote Vom Tunnel
»Somody – oder Zoltán Koloman, wie er sich nannte – war so eine Art ungarischer Freischärler, wie wir in Erfahrung gebracht haben. Aber er konnte die Verschiebung der Waffen nicht allein durchführen. Dazu brauchte er eben einen Komplizen hier aus der Gegend. Und nun ist er tot. Der Mörder muss in seinem Umfeld zu finden sein. Da Sie ja zugeben, ihn ab und zu mitgenommen zu haben …«
»Ja, aber nur zwei oder drei Mal …«
»Trotzdem: Sie haben ihn mitgenommen und waren einer der wenigen, zu denen er überhaupt Kontakt hatte … Es bleiben kaum Personen übrig, die als Komplize von Somody infrage kommen …«
»Nein, ich lasse mir nichts anhängen. Ich war nicht der Komplize des Ungarn bei diesem Waffenschmuggel. Was habe ich mit ungarischen Freiheitskämpfern am Hut? Und mit seinem Tod habe ich auch nichts zu tun!«
»Wenn Sie nicht Somodys Komplize waren, wer käme denn Ihrer Meinung nach infrage?«
»Na …, eigentlich verrate ich niemanden …«
»Nun sagen Sie schon!«
»Ich würde mir Jung, diesen Koch aus dem Eisenbahnerlager, mal näher ansehen.«
»Jung, wieso Jung?«
»Ich habe ihn öfter mit dem Ungarn zusammen gesehen. Außerdem ist doch das Messer auch von ihm …«
»Welches Messer?«
»Na, das, mit dem der Ungar abgestochen wurde.«
»Woher wissen Sie denn von diesem Messer?«
»Aus der Zeitung.«
»Moment, Herr Müller«, hakte Sehnert ein, »in der Zeitung stand nur, man habe das Messer gefunden, das vermutlich als Tatwaffe diente. Nicht, dass es von diesem Koch stammt.«
»Dann haben die mir das eben im Lager erzählt«, konterte Müller.
»So ein Messer aus der Lagerkantine könnte jeder an sich genommen haben«, ergriff Moser wieder das Wort, »bei der Aufregung nach dem Unglück achtete keiner darauf, ob jemand in die Küchenbaracke ging und ein Messer mitnahm. Das konnte jeder gewesen sein. Auch Sie …«
»Aber ich war es nicht. Das habe ich nun schon mehrfach gesagt.«
»Dann sage ich Ihnen eben, wie es war, Herr Müller«, triumphierte Moser, der dicke Rauchschwaden in die Küche von Tante Lenchen paffte, »Sie waren Somodys Komplize und Mittelsmann. Über Sie erhielt er die Informationen, wann die Ware kommt. Außerdem übermittelten Sie die Nachrichten von Tschulnigg, wo die Sachen übergeben werden …«
»Tschulnigg? Wer ist denn Tschulnigg?«
»Unterbrechen Sie mich nicht! Sie wissen ganz genau, wer der Waffenhändler Tschulnigg war. Und irgendwann kam es zwischen Ihnen und Ihrem Komplizen zum Streit, warum auch immer. Sie haben in der Aufregung nach dem Explosionsunglück das Messer entwendet und Somody erstochen …!«
»Nein, so war es nicht. Ich war nicht der Komplize von diesem Ungarn!«
»Und woher wussten Sie dann, dass die Tatwaffe aus der Kantine stammte? Peter Müller, ich nehme Sie im Namen des Gesetzes vorläufig fest wegen des dringenden Tatverdachts, in eine Waffenschieberei verwickelt zu sein und den Mord an István Somody begangen zu haben!«, herrschte ihn Moser an.
Müller sprang vom Stuhl auf, stieß Tante Lenchen, die in der Küchentür stand, zur Seite und sprang zur Haustür. Greiner versuchte, ihn zurückzuhalten, erhielt jedoch einen Kinnhaken, sodass er taumelnd gegen die Haustür fiel. Müller riss die Haustür auf und rannte auf den Steg. Dort wurde er von den beiden wartenden Polizisten überwältigt, die ihm Handschellen anlegten.
Moser war inzwischen auch auf dem Steg angelangt und schrie: »Abführen! Der kommt in Untersuchungshaft!«
Tante Lenchen zitterte am ganzen Leib, ließ es sich aber nicht nehmen, Greiners blutende Wunde, die er sich bei seinem unfreiwilligen Kontakt mit der Türleibung zugezogen hatte, zu versorgen. Anschließend fragte sie: »Na, wie war ich?«
»Tantchen, du warst großartig!«, meinte Sehnert und wandte sich an Moser: »Bravo, Herr Kriminalrat. Ich gratuliere Ihnen!«
»Sehnert, freuen Sie sich nur nicht zu früh. Wir haben bisher keinerlei Beweise, dass Müller der Komplize und der Mörder ist. Wenn wir diese nicht liefern, müssen wir ihn spätestens am Montag wieder laufen lassen. Schließlich hat er sich nur wegen seines Wissens über die Herkunft der Tatwaffe verdächtig gemacht. Aber vermutlich weiß inzwischen jeder im Lager, dass dieses Messer aus der Kantine stammt. Das allein wird nicht genügen, Müller länger festzuhalten. Zum Glück ist morgen Samstag, sodass er erst am Montag dem Richter vorgeführt werden kann. Das heißt, wir haben ausnahmsweise zwei Tage Zeit, ihm
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