Moskauer Diva
hinterlassen und seien abgereist … Auch an Dewjatkin haben Sie geschrieben. Warum ausgerechnet an ihn? Seltsam …«
Sie redete das eine, schien aber an etwas anderes zu denken. Sie schaute ihn an, als wolle sie etwas sagen, könne sich aber nicht entschließen.
Aus dem Saal drang Geschrei. Erast Petrowitsch erkannte die Stimme des Regisseurs.
»Warum schimpft Noah Nojewitsch?«, fragte Fandorin mit einem leisen Lächeln. »Sagen Sie bloß, Sie haben etwas angestellt, und er hat Sie rausgeworfen?«
Er tat, als bemerke er ihre Verlegenheit nicht. Er wollte sich nicht auf ihre Schauspielerspielchen einlassen. Wahrscheinlich spürte Elisa mit ihrem weiblichen Instinkt, dass er sich verändert, sich aus dem Spinnennetz befreit hatte, und nun wollte sie ihn erneut in ihre trügerische, falsche Welt zurückholen. So war eine Schauspielerin nun einmal beschaffen – sie konnte sich nicht mit dem Verlust eines Verehrers abfinden.
Doch Elisa ging auf seinen scherzhaften Ton ein.
»Nein, ich bin selbst hinausgegangen. Wir haben wieder einmal einen unangenehmen Vorfall. Wieder hat jemand etwas von einem Soloabend in die ›Annalen‹ geschrieben.«
Fandorin begriff nicht gleich, wovon die Rede war. Dann erinnerte er sich, wie bei seiner ersten Bekanntschaft mit der Truppe im September im heiligen Journal eine rätselhafte Notiz aufgetaucht war: bis zum Soloabend noch soundso viele Einheiten, und wie Stern sich wegen dieses »Sakrilegs« echauffiert hatte.
»Ein und derselbe Scherz g-gleich zwei Mal? Das ist dumm.«
Ich stottere wieder, dachte er. Macht nichts. Das ist ein Zeichen, dass die Spannung nachlässt.
»Nicht zwei, sondern drei Mal.« Ihre Augen sahen ihn wie immer an und zugleich irgendwie an ihm vorbei. »Vor einem Monat hat erneut jemand etwas über irgendwelche Einheiten geschrieben. Beim ersten Mal waren es acht Einheiten, beim zweiten Mal sieben und heute merkwürdigerweise fünf. Wahrscheinlich hat sich der Witzbold verrechnet.«
Wieder hatte er das Gefühl, dass sie nicht das sagte, woran sie dachte.
»Zum dritten Mal?« Er runzelte die Stirn. »Für einen Scherz, selbst für einen d-dummen, ist das zu viel. Ich werde Noah Nojewitsch bitten, mir die ›Annalen‹ zu zeigen.«
»Wissen Sie was«, sagte Elisa plötzlich. »Man hat mir einen Antrag gemacht.«
»Was hat man Ihnen denn angetragen?«, fragte er, obwohl er sofort ahnte, wovon die Rede war.
Ach, das Herz, das Herz! Er hatte sich mit ihm doch geeinigt, und trotzdem ließ es ihn nun im Stich und bebte.
»Herz und Hand.«
Er zwang sich zu lächeln.
»Wer ist der Mutige?« Die Ironie war überflüssig, das klang verletzt!
»Andrej Gordejewitsch Schustrow.«
»A-ah. Nun, er ist ein seriöser Mann. Und jung.«
Warum habe ich das gesagt – jung? Als würde ich es beklagen, dass ich selbst nicht mehr jung bin!
Darüber also wollte sie mit ihm reden. Wollte sie ihn etwa um Rat fragen? O nein, das nicht, ergebensten Dank.
»Eine großartige Partie. Willigen Sie ein.«
Ja, das klang nicht schlecht.
Sie sah plötzlich so unglücklich aus, dass Erast Petrowitsch sich schämte. Er hatte sich doch wieder kindisch benommen. Ein erwachsener Mann hätte einer Dame die Freude gemacht, den Eifersüchtigen zu spielen, innerlich völlig ungerührt.
Die Schauspielerin und der Millionär – ein ideales Paar. Talent und Geld, Schönheit und Energie, Gefühl und Berechnung, Blume und Stein, Feuer und Eis. Schustrow würde aus ihr einen Star machen, berühmt in ganz Russland, wenn nicht in der ganzen Welt, und zum Dank würde sie das mathematisch exakte Leben des Unternehmers in ein Feuerwerk und Fest verwandeln.
Alles in ihm brodelte.
»V-verzeihen Sie, ich muss gehen.«
»Kommen Sie wieder? Gehen Sie nicht in den Saal?«
»Ich habe zu tun. Das hatte ich ganz vergessen. Ich komme morgen vorbei«, sagte er abgehackt.
Ich muss an mir arbeiten. Selbstkontrolle, Beherrschung, Disziplin.Umso besser, dass sie heiratet. Meinen Segen hat sie. »Nun ist alles endgültig aus«, flüsterte Fandorin, während er die Treppe hinunterstieg. »Wollte ich nicht etwas erledigen?«
Aber seine Gedanken verwirrten sich.
Na schön, später. Alles später.
Noch vier Einheiten bis zum Soloabend
Dummes Weib!
Eine großartige Partie. Willigen Sie ein. Wie gleichgültig er das gesagt hatte!
Was war sie für ein dummes Weib! Sie hatte so viele Tage auf dieses Gespräch gewartet, sich allerlei melodramatische Szenen zusammenphantasiert. Sie verkündet ihm ihre
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