Moskauer Diva
Drei Wochen lang hat sie ihm den Kopf verdreht und ihn dann abgewiesen! Ich hasse solche Frauen!
Tueuse
1 ! Eine richtige
tueuse
!«
Erschrocken und verblüfft wich Elisa zurück. Was waren das für südländische Leidenschaften?
Rechts und links sprangen Fandorin und Masa auf die Bühne und packten den Verrückten bei den Armen, und zwar fester als Prostakow und Dewjatkin. Erast Petrowitsch drehte Simon zu sich um.
»Warum nennen Sie Frau Lointaine eine Mörderin? Erklären Sie sich sofort!«
Elisa sah von der Seite, dass der Franzose heftig zwinkerte.
»Erast … Petrowitsch?«, stammelte er. »Herr Masa?!«
»
Senka-kun
?« Masa löste seinen Griff. »
Odoroita na!
«
Er schien ihn zu kennen. Auch Fandorin rief: »Senja, du?! Zehn Jahre haben wir uns nicht gesehen!«
»Elf, Erast Petrowitsch! Fast elf!«
Er und Fandorin schüttelten sich die Hand, mit Masa tauschte er Verbeugungen, wobei der Franzose (obwohl – er war wohl kaum Franzose, wenn er »Senja« hieß) sich ganz tief verbeugte. Das alles war in höchstem Maße rätselhaft.
»Ich war sicher, du seist in Paris … Aber davon später. Sag, was ist passiert? Warum f-fällst du über Frau Lointaine her?«
Der junge Mann schluchzte auf.
»Schustrow hat mich angerufen, heute früh. Eine Katastrophe, hat er gesagt. Mit Grabesstimme. Sie hat mich abgewiesen. Komm her, sagt er. Ich hab mich gleich ins Auto gesetzt. Ich fahre einen Bugatti, Erast Petrowitsch, einen Rennwagen, fünfzehn Pferdestärken – das ist was anderes als der Petroleumkocher, mit dem wir beide damals herumgetuckert sind, wissen Sie noch?«, fragte er lebhaft, wurde aber sofort wieder traurig. »Ich komme also zu Schustrow in die Pretschistenka, und da stehen Polizisten vor der Tür, eine Menschenmenge, Blitzlichter …«
»Aber was ist denn passiert? Nun rede schon!«
»Er hat sich aus Verzweiflung die Kehle durchgeschnitten, mit einem Rasiermesser. Ich habe es gesehen – schrecklich. Alles voller Blut. Er hat sich zugerichtet, als schneide er Wurst in Scheiben … Und in der anderen Hand hielt er die Schachtel mit dem Ring …«
Wie ihr Gespräch endete und woher Fandorin und er sich kannten, bekam Elisa nicht mehr mit. Als sie von dem Rasiermesser und der durchgeschnittenen Kehle hörte, wurde ihr schwarz vor Augen, dann verspürte sie einen heftigen Schlag gegen den Hinterkopf. Sie verlor das Bewusstsein und stürzte zu Boden, schlug mit dem Kopf auf.
Nach zwei, drei Minuten kam sie wieder zu sich, aber Erast und Senja-Simon waren nicht mehr im Saal. Serafima und die Reginina kümmerten sich um sie: Erstere wedelte mit einem Fächer, die andere hielt ihr ein Fläschchen mit Salmiak unter die Nase – davon war im Theater immer reichlich vorhanden, denn Schauspielerinnen haben schwache Nerven. Gasonow saß düster in einer Ecke der Bühne auf dem Boden, die Beine auf japanische Art gekreuzt. Die übrigen Mitglieder der Truppe hatten sich um den Regisseur geschart.
»… ein tragisches Ereignis, aber kein Grund zur Verzweiflung!«, sagte Noah Nojewitsch. »Der Tote war ein Mann mit einem großen Herzen, er hat für uns gesorgt! Wie Sie sich erinnern, hat er der›Arche‹ ein Kapital vererbt, das uns eine sorglose Existenz sichert. Außerdem hat sein Partner auf mich einen angenehmen Eindruck gemacht. Mir scheint, das ist ein wunderbarer junger Mann – emotional und ungestüm. Ich glaube, wir werden eine gemeinsame Sprache finden. Meine Freunde, man muss in jedem Unglück auch ein Plus sehen, sonst hätte das Leben auf der Erde längst aufgehört! Denken Sie nur daran, was bei unserer nächsten Vorstellung los sein wird, wenn das Publikum den Grund für den Selbstmord erfährt.«
Hier drehten sich alle um und sahen, dass Elisa wieder zu sich gekommen war. Wie vielsagend die Blicke waren, die sich auf sie richteten! Wie viel sie über jeden einzelnen aussagten! Der Lissizkaja war anzusehen, dass sie die Frau, wegen der Männer sich umbrachten und über die morgen die Zeitungen berichten würden, glühend beneidete. Der Räsoneur Rasumowski blickte traurig und mitfühlend drein. Wassja seufzte mitleidig. Dewjatkin runzelte missbilligend die Stirn. Mefistow fuhr sich mit dem Finger über die Kehle und applaudierte stumm. Die Durowa schnitt eine Grimasse, die sagte: Ach, Herrschaften, was seid ihr doch alle für Idioten. Lowtschilin zwinkerte ihr zu: Nicht schlecht gespielt, deine Ohnmacht, bravo.
Und Noah Nojewitsch trat zu Elisa und flüsterte: »Halt dich tapfer,
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