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Moskauer Diva

Moskauer Diva

Titel: Moskauer Diva Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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Nein, das war völlig unmöglich – dass sie in einem Feuerkleid zu klingenden Gläsern Schustrow auf die Lippen küsste! Elisa brauchte sich das nur vorzustellen und wusste: Dazu würde es niemals kommen. Ganz zu schweigen von dem, was nach dem Hochzeitsbankett in der Nacht geschehen sollte.
    Rasch, bevor die Vernunft wieder die Stimme erhob, stürzte sie zum Telefon, drehte die Kurbel und bat die Vermittlung, sie mit der »Gesellschaft für Theater und Kinematographie« zu verbinden. Schon seit drei Wochen wohnte Elisa wieder im »Louvre«, darauf hatte Noah Nojewitsch bestanden. Die Naive könne nicht im Appartement der Diva wohnen, das untergrabe die Hierarchie undbringe nur überflüssigen Zank. Und Elisa hatte ihm nicht widersprochen. Sie war es nicht mehr gewohnt, ohne Bad auszukommen, und der arme Limbach würde ja nicht mehr versuchen, durchs Fenster bei ihr einzudringen …
    Schustrows Sekretär nahm ab, erklärte, sein Chef werde heute nicht im Büro erwartet, und teilte ihr liebenswürdig seine Privatnummer mit. Das barmherzige Schicksal wollte Elisa wohl Gelegenheit geben, es sich noch einmal anders zu überlegen. Doch Elisa nutzte diese Gelegenheit nicht.
    Als Schustrow ihre Stimme hörte, sagte er ruhig: »Sehr schön, dass Sie anrufen. Ich wollte gerade zu Ihnen ins Hotel kommen. Vielleicht sollten Sie aus einem solchen Anlass auf die Probe verzichten? Ich habe den Frühstückstisch decken lassen und meine Dienstboten weggeschickt. Lassen Sie uns Champagner trinken, zu zweit.«
    »Keinen Champagner!«, platzte Elisa heraus. »Es wird nichts! Es ist unmöglich! Unmöglich, und Schluss! Leben Sie wohl!«
    Er schluckte, wollte etwas erwidern, doch sie legte auf.
    Im ersten Augenblick empfand sie ungeheure Erleichterung. Dann Entsetzen. Was hatte sie angerichtet! Sie hatte auf den Rettungsring verzichtet, nun musste sie ertrinken!
    Doch der wahre Schrecken stand ihr noch bevor.
    Das Leben ist aus
    Zum ersten Mal in ihrer ganzen Karriere wäre Elisa beinahe zu spät zur Probe erschienen. Dafür war sie heute besonders gut in Form – aus zwei Gründen. Nervliche Erschütterungen verliehen ihrem Spiel stets noch mehr Feuer. Zudem kam, als sie den Tanz mit dem Fächer vorführte, Fandorin in den Saal und setzte sich leise nach hinten.
    »Elisa ist die Einzige, die hier arbeitet!«, rief Stern gereizt (er war heute übel gelaunt). »Die anderen halten nur Maulaffen feil! Lew Spiridonowitsch, noch einmal ab: ›Welch reizende Erscheinung! Ich könnte schaun und schaun.‹«
    Kaum ertönte vom Grammophon erneut die perlende japanische Musik, wurde die Haupttür krachend aufgestoßen. Ein junger Mann mit zerzaustem Haar, ohne Kopfbedeckung, kam hereingestürmt. Sein Gesicht war rot und wütend, er war geckenhaft gekleidet und schwenkte einen Arm, in dem etwas Kleines blitzte – offenbar eine Metallschachtel.
    Noah Nojewitsch tobte.
    »Was macht der Fremde hier? Wer hat ihn hereingelassen? Was ist das für ein Chaos? Wer ist für die Ordnung im Theater verantwortlich?«, brüllte er seinen Assistenten an. Der breitete hilflos die Arme aus, und Stern lenkte seinen Zorn auf den Unbekannten, der inzwischen die Bühne erreicht hatte. »Wer sind Sie? Was erlauben Sie sich?«
    Der junge Mann blickte sich um und reichte ihm eine Visitenkarte. Der Regisseur las den Namen und lächelte breit.
    »Monsieur Simon! Kollegen, unser Gast ist der Kompagnon von Herrn Schustrow!
Soyez
, sozusagen,
bienvenue, cher ami

    Der herumirrende Blick des Franzosen blieb auf Elisa haften. Sie trug das bewusste lila Kleid mit dem grünen Gürtel, dazu japanische Lacksandalen.
    »Madame Lointaine?«, fragte der unhöfliche Ausländer heiser. »Oui, Monsieur.«
    Sie ahnte schon: Schustrow hatte seinen Kompagnon geschickt, damit der sie überredete, ihre Entscheidung zu überdenken. Ein merkwürdiger Bote Amors, zudem benahm er sich recht fragwürdig!
    Monsieur Simon aber schrie in reinstem Russisch: »Gemeines Aas! Mörderin! Einen solchen Menschen zugrunde zu richten!«
    Schwungvoll schleuderte er ihr die vergoldete Schachtel entgegen. Sie traf Elisa an der Brust, fiel zu Boden, und ein Verlobungsring mit einem Brillanten rollte heraus.
    Der Randalierer aber erklomm die Bühne und schien sich mit Fäusten auf die Schauspielerin stürzen zu wollen. Wassja und George packten ihn an den Schultern, doch er stieß sie weg.
    »Was ist passiert?! Was soll das?!«, tönte es von allen Seiten.
    Der Rasende schrie: »Diese Kokotte, diese Schlange!

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