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Moskauer Diva

Moskauer Diva

Titel: Moskauer Diva Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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hat, dachte sie. Wenn er mich doch immer so ansehen würde. Fandorin sagte leise: »Wo getötet wird, scherzt man nicht.«

Noch zwei Einheiten bis zum Soloabend
    Neue und alte Hypothesen
    Diese Worte waren Erast Petrowitsch einfach herausgerutscht – er war noch nicht ganz zu sich gekommen, so überraschend war sie hier aufgetaucht. Aber Elisa hatte sie zum Glück nicht gehört. Sie fragte: »Was?«
    »Ach, nichts von B-belang.«
    Er dachte: Ich darf sie nicht aus der Nähe sehen. Das verstärkt die Krankheitssymptome. Den Extraktionsapparat versteckte er hinterm Rücken, um keine Erklärungen abgeben zu müssen. Obwohl – irgendwie musste er seine Anwesenheit hier ja rechtfertigen.
    Wie sie ihn anschaute! Bei jeder anderen Frau könnte man sicher sein: Sie liebt dich von ganzem Herzen. Aber diese Schauspielerin …
    Ein einziges Mal hatte sie unverfälschte Gefühle gezeigt – als sie bei der Nachricht vom Tod ihres Bräutigams in Ohnmacht fiel. In diesem Augenblick hatte ein heftiger Schmerz Fandorins Herz durchbohrt. Elisa hatte also den Millionär nicht aus Berechnung heiraten wollen, sondern aus Liebe?
    Dieser Gedanke hatte ihn den ganzen Tag gequält und daran gehindert, sich auf die Sache zu konzentrieren. Schließlich hatte er etwas ganz Unwürdiges getan. Am späten Abend rief er im Metropol an, nachdem er sich bei Stern nach Elisas Zimmernummer erkundigt hatte, und versetzte ihr einen Nadelstich: Er las ihr ein giftiges Tanka vor. Der Sinn des Fünfzeilers war eindeutig: Ihre Liebeist keinen Groschen wert, Madame; vielleicht wird im nächsten Leben etwas Besseres aus Ihnen.
    Sie hatte mit völlig lebloser Stimme geantwortet. Hatte so getan, als sei ihr alles egal, sogar gelacht, ihn damit aber nicht täuschen können. Wenn eine solche Schauspielerin ihren Kummer nicht verbergen konnte, musste er wirklich groß sein. Warum hatte sie dann Schustrow abgewiesen? Wahrhaftig, die Seele einer Schauspielerin war undurchdringlich wie das Dunkel hinter der Bühne.
    Hinterher hatte sich Fandorin geschämt und sich geschworen, Elisa in Ruhe zu lassen. Und sich die nächsten Tage von ihr ferngehalten. Nur gestern Abend war er ihr notgedrungen unter die Augen getreten, jedoch ohne sich ihr zu nähern.
    Gestern hatte er ins Theater kommen müssen. Im Interesse der Ermittlungen.
     
    Schustrows Tod war neben allem anderem auch ein heftiger Schlag für Fandorins Selbstbewusstsein. Die Hypothese, auf die er so viel Zeit und Kraft verwandt hatte, war geplatzt. Mr. Swist war tot; Zarkow befand sich jenseits des Atlantiks. Die Bande der Moskauer Spekulanten exisiterte nicht mehr und konnte mit dem Tod des Millionärs nichts zu tun haben.
    Dass es kein Selbstmord war, stand für Erast Petrowitsch so gut wie fest. Schustrow war kein Mann, der wegen einer gescheiterten Brautwerbung Hand an sich legte. Aber er musste sich den Ort der Tragödie ansehen und alles persönlich überprüfen, erst dann konnte er sich der Selbstgeißelung hingeben und seine aufgewühlten Gefühle und durcheinander geratenen Gedanken in Ordnung bringen.
    »Fahren wir in die Pretschistenka«, sagte er zu »Monsieur Simon«, während die Damen sich der in Ohnmacht gefallenen Elisa annahmen. »Ich muss das sehen.«
    Masa sah seinen Herrn vielsagend an, stieß auf einen ausdruckslosen Blick, seufzte und wandte sich ab.
    Erast Petrowitsch hatte das Verhältnis zu seinem Freund nach seiner Rückkehr aus Europa noch immer nicht in Ordnung gebracht. Als er von Elisas bevorstehender Heirat erfahren hatte, war er finsterer als eine Gewitterwolke nach Hause in die Swertschkow-Gasse gekommen. Er mochte über nichts reden. Außerdem gab es nichts, womit er sich hätte brüsten können. Schließlich war Zarkow ihm entwischt. Die Operation war von Anfang an stockend verlaufen und hatte mit einem Fiasko geendet, und schuld daran war Erast Petrowitsch selbst. Hätte er nicht den tolpatschigen George mit nach Sokolniki genommen, sondern Masa, wäre die Sache ganz anders ausgegangen.
    »Lass mich«, sagte Fandorin zu seinem Diener. »Keine Fragen.«
    Der Japaner war natürlich beleidigt. Nicht genug, dass sein Herr ohne jede Erklärung für fast zwei Wochen verschwunden war, nun wollte er auch nichts darüber erzählen? So etwas war in dreiunddreißig Jahren noch nie vorgekommen.
    »Dann erzähle ich Ihnen auch nichts!«, verkündete Masa, womit er eindeutig auf Elisa und sein Verhältnis zu ihr anspielte.
    »Ich bitte darum.«
    Fandorin wollte gar nichts hören über

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