Moskauer Diva
berühmte Schauspielerin Altaïrskaja-Lointaine, und ihr den Verlobungsring anstecken.
»Übrigens, wo ist der Ring, Herr Simon?«, unterbrach Drissen seine Rede, wobei er Senja keineswegs liebenswürdig, sondern drohend ansah. »Sie haben ihn an sich gerissen und sind damit weggerannt, aber ich muss dafür geradestehen.«
»Eine Lappalie.« Der Pariser winkte düster ab. Im Haus seines toten Kameraden war er ganz in sich zusammengesunken und seufzte nur. »Wenn nötig, ersetze ich ihn.
Pas de problème
.«
Die Auskunft, dass Geld für den Kompagnon kein Problem war, freute den Offizier. Er lächelte liebenswürdig und berichtete weiter.
Das Bild schien klar. Die Braut hatte es sich im letzten Moment anders überlegt, was sie dem Bräutigam am Telefon mitteilte. Schustrow verlor vor Kummer den Verstand und griff zum Rasiermesser. Seine Hand zitterte, darum brachte er sich zunächst einige kleine Schnitte bei, dann überwand er seine Schwäche und durchtrennte sich die Arterie samt Luftröhre, was unverzüglich zum Tod führte.
Die Fakten hörte sich Erast Petrowitsch interessiert an, die Schlussfolgerungen weniger. Lange hockte er über dem Leichnam und untersuchte die aufgeschlitzte Kehle mit einer Lupe.
Schließlich erhob er sich; er war sehr besorgt. Er sagte zu dem respektvoll wartenden Hauptmann: »Wissen Sie, es gibt Polizisten, die gegen ein g-gewisses Entgelt die Boulevardpresse mit allerlei pikanten Details über laufende Fälle versorgen. Also, sollte zur Presse durchsickern, dass die Ermittler einen Zusammenhang zwischen Schustrows Tod und der von Ihnen erwähnten Schauspielerin sehen, werde ich davon ausgehen, dass Sie persönlich dafür verantwortlich sind.«
»Erlauben Sie …«, empörte sich Drissen, doch Erast Petrowitsch blitzte ihn mit seinen ausdrucksvollen blauen Augen an, und der Offizier verstummte.
»Sollte dieser Fall eintreten, werde ich meinen ganzen Einfluss geltend machen, um dafür zu sorgen, dass Sie Ihren Dienst auf Tschukotka fortsetzen. Ich belästige die hohe Obrigkeit selten mit Bitten, deshalb wird man mir diese K-kleinigkeit nicht abschlagen.«
Der Polizist hustete.
»Aber, mein Herr, ich kann nicht die Verantwortung für andere übernehmen. Gerüchte könnten aus dem Theater durchsickern … Der Fall wird beim Publikum auf großes Interesse stoßen. Im Theater gab es schließlich bereits Selbstmorde.«
»Gerüchte sind das eine. Eine offizielle Hypothese ist etwas anderes. Haben Sie mich verstanden? Nun denn.«
Der für Fandorin demütigende Verdacht bestätigte sich.
Zarkow und Mr. Swist hatten mit den Toden am Theater höchstwahrscheinlich nichts zu tun. Denn den Millionär Schustrow konnten nicht sie getötet haben, und er war eindeutig ermordet worden. Nach der Handschrift zu urteilen, vom selben Täter wie Smaragdow und Limbach.
Er musste mit den Ermittlungen noch einmal von vorn anfangen.
Normalerweise ist das Problem bei einer Serie geheimnisvoller Verbrechen das Fehlen glaubhafter Hypothesen. Hier aber war esgenau umgekehrt. Es gab zu viele Hypothesen. Selbst wenn man vom Einmaleins der Deduktion ausging – den beiden wichtigsten Motiven, aus denen jemand einen Menschen tötete: »Wem nützt es?« und »
Cherchez la femme
«.
Wem konnte der Tod des Millionärs nützen?
Nun, zum Beispiel der »Arche Noah« und Herrn Stern persönlich. Laut Testament erhielt die Schauspieltruppe ein beträchtliches Kapital. Das erstens. Die Hartnäckigkeit, mit der der Unternehmer die Truppe animieren wollte, zum Film zu wechseln, hatte alle geärgert und aufgeregt. Die Welt des Theaters hatte etwas Pathologisches, sie war voller übertriebener Leidenschaften. Wenn in einem solchen Milieu jemand mörderische Neigungen entwickelt hatte (und das war eine kaum zu bestreitende Tatsache), könnten die obengenannten Gründe dafür vollkommen ausreichen. Dabei war auch die künstlerische Psyche des Täters zu berücksichtigen. Es handelte sich um einen besonderen Persönlichkeitstypus, für den die »Schönheit« des Plans ein ausreichender Anstoß für ein Verbrechen sein könnte – zusätzlich zum praktischen Nutzen.
Was
cherchez la femme
angeht, so musste man hier nach einer Frau nicht lange suchen. Es war offensichtlich, wer dafür in Frage kam. Doch wenn die Morde wegen Elisa begangen wurden, ergab sich ein ganzes Bündel von Hypothesen.
Schustrow hatte einer Frau einen Heiratsantrag gemacht, auf die sich viele Augen begehrlich richteten, nach der viele Hände gierig
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