Moskauer Diva
und Mittel aller Art. Darunter ist ein Balsam, der wahre Wunder tut. Er heilt Verbrennungswunden auf jeder Haut im Nu. Und schon in ein, zwei Tagen sind Eure Hände heil. Doch lasst uns nicht mehr zögern, folgt mir bitte jetzt gleich.
Sie geht zur Tür und sieht sich nach dem Unhörbaren um. Er schaut sie an, rührt sich jedoch nicht von der Stelle.
ERZÄHLER
Er kann es gar nicht glauben. Ein Wunder ist geschehn!
Was für ein Scherz des Schicksals, das mit den Menschen spielt:
Von selber fliegt die Motte in das glühheiße Licht.
Das Opfer wird zum Retter des eignen Mörders nun.
Ijumi verharrt auf der Schwelle und streckt dem Unhörbaren die Arme entgegen. Er erhebt sich und erstarrt ebenfalls.
Es wird dunkel. Vorhang. Die Bühne wird gedreht.
Viertes Bild
Ijumis Zimmer. Die Türen sind weit offen. Der Unhörbare sitzt auf einer Strohmatte, seine Hände sind in weiße Verbände gehüllt. Neben ihm sitzt Sen-Chan. Auf einem kleinen Tisch steht etwas zu essen. Sen-Chan schiebt dem Unhörbaren Stäbchen mit einem Reisbällchen in den Mundschlitz.
SEN-CHAN Seid nicht so widerspenstig! Die Herrin trug mir auf, mich gut um Euch zu kümmern und für Euch da zu sein. Solange Ihr die Hände noch nicht gebrauchen könnt, soll ich sie Euch ersetzen. Nun öffnet schon den Mund!
Der Unhörbare wendet sich ab.
SEN-CHAN Ihr wollt also nicht essen? Dann esse ich es selbst.
Sie isst das Reisbällchen und redet mit vollem Mund weiter.
Dann lasst mich Euch massieren, die Schultern und den Hals. Diese Art von Entspannung hat Frau Ijumi gern.
Sie springt auf, setzt sich hinter ihn und beginnt ihn zu massieren. Er versucht abzurücken, doch sie lässt nicht von ihm ab.
Für Euch täte ich alles! Ihr müsst nur sagen, was! Ihr seid mein Lebensretter, darum gehör ich Euch. Und wenn die Wundersalbe Euch doch nicht richtig heilt, ersetz ich Euch die Hände, dann bleibe ich bei Euch! Ihr könnt hier bei uns wohnen, hier wird für Euch gesorgt. Dann diene ich Euch beiden, Ijumi-san und Euch. Wo solltet Ihr denn hingehn, ohne Hände und stumm? Doch hier kann ich Euch füttern, ich zieh Euch aus und an.
Der Unhörbare schaudert bei dieser Aussicht.
Die Gütigste der Welt ist meine Ijumi-san, und niemand ist so edel wie Ihr, das ist gewiss. Was soll ich noch mehr wollen? Euch dienen – welch ein Glück! Habe ich euch ermüdet? Legt Ihr Euch lieber hin?
Ijumi tritt auf die Engawa hinaus. Sie trägt einen festlichen Kimono und hat einen Fächer in der Hand.
IJUMI Ich werde doch nicht stören? Während der Balsam wirkt, will ich ein wenig proben für meinen neuen Tanz.
Sen-Chan setzt sich an die Samishen. Langsam und mit eifrigem Bemühen, mitunter ein wenig unsicher, spielt sie. Ijumi tanzt. Der Unhörbare schaut sie unverwandt an.
ERZÄHLER
Gebannt schaut er dem Tanz zu, der stumme Bösewicht,
Bewundert wider Willen, wie anmutig und schön
Die Geisha tanzt, und fragt sich: Was hat nur dieser Tanz
Gemein mit meinem Handwerk, dem ein Shinobi dient?
Flüchtig betrachtet, wenig. Doch eins ist beiden gleich:
Sie haben ein Geheimnis zu einer Kunst gemacht.
Die Schönheit bleibt verborgen hinter der Kunst Yugen.
Und der Shinobi tötet und bleibt im Dunkel stets.
Wie Yin und Yang, so ziehen zwei Mächte sich hier an.
Kein Licht ohne das Dunkel, kein Dunkel ohne Licht.
Erfasst von einem Beben, schaut der Shinobi zu
Und kann selbst nicht begreifen, was ihm da widerfährt.
Ijumi beendet ihren Tanz und geht zu dem Unhörbaren.
IJUMI Die Stunde müsste um sein. Nun lasst uns einmal sehn, ob der Balsam gewirkt hat und hält, was er verspricht. Wenn Ihr die Hand nun heben … Ja, so, ich danke Euch. Solltet Ihr Schmerzen haben, dann gebt mir gleich Bescheid.
Vorsichtig entfernt sie den Verband der einen Hand, schaut sie an und nickt zufrieden, dann entfernt sie den Verband der anderen.
Na also, schon viel besser. Sie sind nur noch sehr rot, und auch die Schwellung ist noch nicht völlig abgeheilt. Ich gebe Euch ein Mittel, damit Ihr schlafen könnt. Entscheidend für die Heilung ist ein gesunder Schlaf.
Sie bereitet das Mittel vor. Der Unhörbare betrachtet ungläubig seine Hände und bewegt die Finger.
ERZÄHLER
Er kann es gar nicht glauben. Die Wunden sind verheilt!
Die Hände sind beweglich, die Kraft ist wieder da.
Noch schmerzt jede Bewegung, doch das ist halb so schlimm.
Er kann nun, das ist sicher, erfüllen
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