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Moskauer Diva

Moskauer Diva

Titel: Moskauer Diva Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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Mädchen)
Welch wunderbare Rettung! Du bist ganz unverletzt. Doch wäre nicht zur Stelle gewesen Niemandnicht, du wärst verbrannt, du Dummchen, wie eine Garbe Stroh.
     
    Ijumi drückt die Schülerin an sich, und der Ronin geht zum Unhörbaren und schaut sich dessen Hände an.
     
    Bei ihm hier sieht es schlecht aus … Er hat sich stark verbrannt. Mit diesen Wunden kann er nicht auf der Bühne stehn. Okasan wird betrübt sein. Der Bursche tut mir leid. Denn er hat Mut bewiesen. Bei Gott, ein ganzer Kerl!
     
    Alle erstarren: Ijumi und Sen-Chan eng umschlungen, Soga mit einer Hand auf der Schulter des Unhörbaren, der Unhörbare mit gesenktem Kopf.
     
    Das Licht erlischt. Die Bühne wird gedreht.
     
    Drittes Bild
     
    Das Zimmer im Teehaus, in dem der Jongleur wohnt. Papierwände. Der Boden ist mit Strohmatten bedeckt. Kein Schmuck, keine Möbel – nur ein niedriger kleiner Tisch, auf dem diverse Gegenstände für seine Kunststücke liegen. Auf einer Bank in der Ecke steht ein Holzbottich mit Wasser zum Waschen. Der Unhörbare sitzt auf dem Boden, den Kopf tief gesenkt und die mit Lappen umwickelten Hände auf der Stirn gekreuzt. Er regt sich nicht.
     
    ERZÄHLER
    Allein sitzt unser Mörder in seiner Höhle nun.
    In seiner Seele lodert Verzweiflung ohne Maß.
    Denn er verflucht sich wütend für seine Heldentat.
    Alles hat er verdorben aus purem Unverstand.
    Die Hände voller Blasen, die Finger ganz verbrannt,
    So ist er völlig hilflos, zum Stillsitzen verdammt.
    Wie tötet man mit Händen, die ohne jede Kraft?
    Die Schmach sühnt ein Shinobi einzig mit seinem Tod.
     
    Er schlägt die Trommel.
     
    Der Unhörbare springt auf, vollführt die Pantomime der Verzweiflung: Er läuft ziellos im Zimmer hin und her, auf der Suche nach einer Möglichkeit, sich das Leben zu nehmen. Er will etwas aus seinem Sack nehmen, doch die Hände gehorchen ihm nicht. Er nimmt ein Seil vom Tisch, schafft es aber nicht, es zu einer Schlinge zu binden. Schließlich wirft er
sich auf den Bauch, rollt lautlos und schweigend über den Boden und schlägt mit dem Kopf immer wieder auf die Reisstrohmatten.
     
    ERZÄHLER
(fährt fort)
    Doch wie willst du dich töten, wenn du ein Krüppel bist?
    Den Dolch kannst du nicht ziehen, zur Schlinge wird kein Seil.
    Dein Los ist ganz entsetzlich, deine Verzweiflung groß,
    Weil du dir nicht mal selber das Leben nehmen kannst.
     
    Der Unhörbare richtet sich ein wenig auf und kriecht auf Knien zum Wasserbottich. Er hat eine Idee: Ertränken! Er taucht den Kopf ins Wasser und verharrt in dieser Haltung.
     
    ERZÄHLER
(fährt fort)
    Ein Ausweg ist gefunden! Die Ehre bleibt gewahrt!
    Im Bottich ist das Wasser nur ganze drei Sun tief,
    Doch an eisernem Willen fehlt es dem Ninja nicht.
    Die Schmach wird er mit Wasser abwaschen statt mit Blut!
    Das Schicksal selbst, so scheint es, ist wohl Ijumi hold,
    Das Schwert, das schon erhoben, wendet es von ihr ab.
    Doch niemand kennt des Karmas oft so bizarren Pfad!
    Oft stürzen ins Verderben wir selbst uns ahnungslos.
     
    Er schlägt die Trommel.
     
    IJUMIS STIMME
(hinter der Wand)
Erlaubt mir einzutreten! Ich bitt’ Euch, hört Ihr mich? Ich möchte nach Euch sehen! Lasst Ihr mich bitte ein?
     
    Der Körper des Unhörbaren windet sich in Krämpfen, aber er verändert seine Haltung nicht. Die Falttür geht auf. Dort kniet Ijumi.
     
    ERZÄHLER
    Bei seinem Anblick denkt sie: »Ach nein, der arme Mann!
    Kann sich nicht einmal waschen, so hilflos, wie er ist!
    Und weil er auch die Maske nicht abziehn kann, taucht er,
    Um sein Gesicht zu kühlen, mitsamt der Maske ein!«
     
    Ijumi steht auf, geht rasch auf den Unhörbaren zu und berührt seine Schulter. Vor Überraschung richtet er sich ruckartig auf. Seine Maske ist ganz nass und klebt ihm am Gesicht.
     
    IJUMI Erlaubt, dass ich die Maske Euch ziehe vom Gesicht, damit ich es Euch wasche. Ich schau gewiss nicht hin.
     
    Er schüttelt heftig den Kopf und weicht zurück.
     
    Schon gut, ich will nicht drängen. Nicht deshalb kam ich her … Ich bin Euch schrecklich dankbar für Eure Heldentat.
( Sie verneigt sich tief vor ihm .)
Als Ihr Sen-Chan gerettet, war ich ganz stumm vor Schreck und konnte noch nichts sagen, brachte kein Wort heraus.
     
    Er schaut sie regungslos an. Seine Augen funkeln.
     
    Ihr seid bestimmt recht traurig, weil Eure Hände nun nicht taugen zum Jonglieren? Doch habe ich ein Mittel, das bei Verbrennung hilft. Mein Vater, der war Heiler, und er vererbte mir ein Kästchen voller Salben

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