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Moskauer Diva

Moskauer Diva

Titel: Moskauer Diva Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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Leonardowna Sie zu uns geschickt hat. In der Truppe gärt es wirklich ungut. Es wäre wunderbar, wenn Sie sich meine Schauspieler einmal genauer anschauten und den Tunichtgut entdeckten, der die Schlange in den Blumen versteckt hat. Und nebenbei auch herausfänden, wer mir vor zwei TagenKlebstoff in die Galoschen gegossen hat. Ein dummer Scherz! Ich musste die Absätze an meinen nagelneuen Stiefeletten auswechseln lassen und die Galoschen wegwerfen!«
    Erast Petrowitsch versprach, herauszufinden, wer die Galoschen verdorben hatte, wenn er die Möglichkeit bekäme, die Truppe kennenzulernen.
    »Das machen wir am besten sofort!«, verkündete Stern. »Warum die Sache aufschieben? Wir haben gleich eine Versammlung. In einer halben Stunde. Ich werde mitteilen, welches Stück wir als Nächstes aufführen, und die Besetzung bekanntgeben. Schauspieler offenbaren ihr wahres Ich am besten beim Gezänk um die Rollen. Sie werden Sie ganz nackt erleben.«
    »Was ist das für ein Stück?«, fragte Erast Petrowitsch, der sich an das Gespräch mit seinem Logennachbarn erinnerte. »Oder ist das noch ein Geheimnis?«
    »Erlauben Sie.« Noah Nojewitsch lachte. »Wer hat schon Geheimnisse vor einem Hellseher? Zudem wird es morgen in allen Zeitungen stehen. Ich habe mich für den ›Kirschgarten‹ entschieden. Ein großartiges Material, um Stanislawski mit seinen eigenen Mitteln zu schlagen, auf seinem eigenen Terrain! Soll das Publikum ruhig meinen Kirschgarten mit Stanislawskis schmalbrüstigen Exerzitien vergleichen! Ich gebe zu, das Künstlertheater war einmal nicht schlecht, aber es hat sich überlebt. Vom Maly-Theater ganz zu schweigen! Und das Theater von Korsch, das sind Possenspiele für Kaufleute! Ich werde ihnen allen zeigen, was echte Regie ist und richtige Arbeit mit Schauspielern! Soll ich Ihnen erzählen, lieber Erast Petrowitsch, wie das ideale Theater sein muss? Ich sehe, ich finde in Ihnen einen klugen und dankbaren Zuhörer.«
    Das Angebot abzulehnen wäre unhöflich gewesen, außerdem wollte Fandorin sich tatsächlich gern in dieser sonderbaren, für ihn neuen Welt zurechtfinden.
    »Sehr g-gern, das interessiert mich.«
    Noah Nojewitsch trat in der Pose des alttestamentarischen Propheten vor seinen Gast, und seine Augen funkelten.
    »Wissen Sie, warum mein Theater ›Arche Noah‹ heißt? Erstens, weil nur die Kunst die Welt vor der Sintflut retten wird, und die höchste Gattung der Kunst ist das Theater. Zweitens, weil in meiner Truppe alle menschlichen Typen versammelt sind. Und drittens, weil ich von jeder Art ein Paar habe.«
    Stern bemerkte die Verwunderung in der Miene seines Gegenübers und lächelte zufrieden.
    »Ja, ja. Ich habe einen Helden und eine Heldin; einen Charakter
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und Vaterdarsteller und eine Salondame und Mutter; einen Diener und Komiker, eine Muntere und Kokette; einen Intriganten und eine Intrigantin; einen Dümmling und eine Darstellerin für Hosenrollen (die beiden sind kein Paar, aber diese beiden Rollenfächer haben grundsätzlich kein Gegenüber); und schließlich sind da noch ich und mein Assistent für alle übrigen Rollen – ich in der zweiten Reihe, er in der dritten. Meine Schauspieltheorie besteht darin, dass man nicht auf den sogenannten universellen Schauspieler setzen muss, der jede Rolle spielen kann. Ich zum Beispiel bin universell. Ich kann mit dem gleichen Erfolg was auch immer spielen – ob den Lear, den Shylock oder den Falstaff. Aber solche Genies sind äußerst selten«, erklärte Noah Nojewitsch bedauernd. »Eine ganze Truppe davon bekommt man nie zusammen. Doch Schauspieler, die in einem Rollenfach sehr gut sind, gibt es mehr als genug. Ich nehme einen solchen Menschen und helfe ihm, seine große, aber einseitige Begabung bis zur Vollendung zu entfalten. Das Rollenfach muss untrennbar mit seiner Persönlichkeit verbunden sein, das ist am besten. Schauspielerinnen unterziehen sich übrigens höchst willig dieser Mimikry, und ich verstehe mich darauf, sie zu lenken. Jeden, den ich in meine Truppe aufnehme, verpflichte ich, sich einen Künstlernamen zuzulegen, der zu seinem Rollenfach passt. Denn der Name bestimmt das Wesen, wissen Sie. Ihren früherenKünstlernamen haben nur meine Erste Schauspielerin und mein Erster Schauspieler beibehalten, weil beide beim Publikum bereits bekannt waren. Der Charakterdarsteller wurde zu Rasumowski 11 , der Intrigant zu Mefistow, die Muntere zu Klubnikina 12 und so weiter. Sie werden sie alle ja gleich sehen und sofort erkennen , dass

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