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Moskauer Diva

Moskauer Diva

Titel: Moskauer Diva Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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so wahr ich Noah Stern heiße.« Ein kurzer, vielsagender Blick zu Fandorin. »Aber ein solches Geschrei und ein derartiges Durcheinander wie gestern Abend unterbleibt künftig. Klar?«
    Aus der Richtung, aus der das schillernde Licht kam, ertönte eine sanfte Stimme, die Erast Petrowitsch so gern hatte erneut hören wollen.
    »Nur noch eines, wenn Sie erlauben, Noah Nojewitsch. Ich war gestern Abend nicht in der Verfassung, dem lieben Georgi Iwanowitsch gebührend für seine Kühnheit zu danken. Er hat sein Leben riskiert und ist mir zu Hilfe geeilt! Ich … ich weiß nicht, was mit mir … Wenn diese Scheußlichkeit mich gebissen, ach nein, wenn sie mich auch nur berührt hätte …« Fandorin vernahm ein unterdrücktesSchluchzen, das ihm einen Stich ins Herz versetzte. »Georgi Iwanowitsch, Sie sind der letzte Ritter unserer Zeit! Darf ich Sie küssen?«
    Alle applaudierten, und Erast Petrowitsch gestattete sich einen ersten raschen Blick auf die Jugendliche Heldin des Theaters. Sie trug ein helles, in der Taille mit einem breiten bordeauxroten Tuch gegürtetes Kleid und einen leichten breitkrempigen Hut mit Federn. Ihr Gesicht sah er nicht, denn die Altaïrskaja hatte sich ab- und einem nicht sehr großen, blassen Mann mit verbundener Hand zugewandt. Auf seiner hohen Stirn mit angeklatschtem Lermontowschem Schläfenhaar glänzten Schweißperlen, die runden braunen Augen waren anbetungsvoll auf Elisa gerichtet.
    »Ich danke Ihnen … Das heißt, ich wollte sagen, nicht der Rede wert«, stammelte Dewjatkin, als sie den Hut abnahm und mit den Lippen seine Wange berührte. Und wurde plötzlich rot.
    »Bravo!«, rief ein kleines Fräulein mit einer lustigen Stupsnase voller Sommersprossen, unablässig weiter klatschend (Fandorin taufte sie bei sich Spätzchen). »Lieber George, Sie sind wie der heilige Georg, der Drachentöter! Ich möchte Sie auch küssen! Und Ihre arme Hand drücken!«
    Sie stürzte zu dem verwirrten Helden, stellte sich auf die Zehenspitzen und umarmte ihn, doch die Küsse des Spätzchens empfing der Regieassistent mit geringerer Freude.
    »Drücken Sie doch nicht so heftig, Soja, das tut weh! Ihre Finger sind ganz knochig!«
    »Hier also verbarg sich mein grausiger Tod, in einem toten Pferdeknochen. Es kommt aus dem Schädel leis eine zischende Schlange gekrochen« 17 , deklamierte ein umwerfender Mann im weißen Anzug mit einer roten Nelke im Knopfloch spöttisch. Das war natürlich Smaragdow, von nahem noch schöner als auf der Bühne.
    Fandorin warf einen vorsichtigen Blick auf Elisa, um zu sehen,wie sie ohne Hut wirkte. Doch sie richtete gerade ihre Frisur, und er sah nur, dass ihr feines Haar hochgesteckt und zu einem entweder sehr schlichten oder im Gegenteil höchst raffinierten Knoten geschlungen war, was ihrer Silhouette etwas Ägyptisches verlieh.
    »Ich muss diese rührende Szene jetzt leider unterbrechen. Genug bewundert und geküsst, es ist schon eine Minute vor vier«, sagte der Regisseur und schwenkte eine Uhr, die er aus der Tasche gezogen hatte. »Meine Damen und Herren, wir kommen nun zu einem sehr wichtigen Ereignis. Bevor wir das neue Stück in Angriff nehmen, möchte sich unser Wohltäter und guter Engel Andrej Gordejewitsch Schustrow mit uns unterhalten.«
    Alle fuhren auf, einige Frauen stießen sogar einen kleinen Schrei aus.
    Stern lächelte.
    »Ja, ja. Er möchte Sie alle kennenlernen. Bisher hatten nur ich und Elisa das Vergnügen der Bekanntschaft mit diesem wunderbaren Mäzen, ohne den unsere ›Arche‹ nie in See gestochen wäre. Aber nun sind wir in Moskau, und Herr Schustrow hat sich die Zeit genommen, um Sie alle persönlich zu begrüßen. Er wollte um vier hier sein, und dieser Mann kommt niemals zu spät.«
    »Sie Scheusal, hätten Sie uns nicht vorwarnen können? Dann hätte ich mein Moirékleid angezogen und die Perlen angelegt«, bedauerte im tiefen Alt eine füllige Dame, die bestimmt einmal sehr schön, geradezu königlich gewesen war.
    »Schustrow ist zu jung für Sie, meine liebe Wassilissa Prokofjewna«, sagte ein imposanter Mann mit herrlichem bläulich schimmerndem grauem Haar. »Mich deucht, er ist noch keine dreißig. Mit Perlen und Moiré können Sie ihn nicht verführen.«
    Die Dame parierte, ohne den Kopf zu wenden: »Alter Narr!«
    Jemand klopfte höflich an die Tür.
    »Wie ich gesagt habe: ausnehmend pünktlich!« Noah Nojewitsch wedelte erneut mit der Uhr und lief öffnen.
    Fandorin war über den bevorstehenden Besuch des Unternehmers

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