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Moskauer Diva

Moskauer Diva

Titel: Moskauer Diva Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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plötzlich kommt ein kleines Theater auf Gastspiel. Ein schäbiges kleines Theaterchen, aber mit klassischem Repertoire.Unser Fähnrich ist hingerissen, verliebt, verzaubert! Er quittiert den Dienst, geht unter einem romantischen Pseudonym zum Theater und spielt in grauenhaften Aufführungen grauenhaft schlecht. Und dann geschieht erneut ein Wunder. Auf der Durchreise in Petersburg gerät er in eine Vorstellung von mir und begreift endlich, was wahres Theater ist. Er kommt zu mir, bittet mich, ihn einzustellen, egal als was. Ich verstehe etwas von Menschen, das ist mein Beruf. Ich nahm ihn als Assistenten zu mir und habe das bis jetzt kein einziges Mal bereut. Und gestern hat sich Dewjatkin als Held erwiesen. Aber das wissen Sie natürlich, Andrej Gordejewitsch.«
    »Das weiß ich.« Schustrow drückte dem Assistenten fest die linke, nicht verbundene Hand. »Sie sind großartig. Sie haben uns alle vor großen Verlusten bewahrt.«
    Erast Petrowitsch hob die linke Braue, und seine Laune besserte sich plötzlich. Wenn Elisas Gesundheit für den Mäzen lediglich eine Frage von »Verlusten« war, dann … Das war etwas ganz anderes.
    »Ich habe das nicht wegen Ihrer Verluste getan«, murmelte Dewjatkin, doch der Gast begrüßte bereits den nächsten Schauspieler.
    »Kostja Lowtschilin 19 . Wie aus dem Pseudonym zu ersehen – unser Komiker«, stellte Stern einen jungen Mann mit einer unglaublich lebhaften Physiognomie vor. »Er hat den Truffaldino gespielt, den Leporello und den Scapin.«
    Der Vorgestellte fuhr sich mit der Hand durch den ungebändigten Lockenschopf, verzog die dicken Lippen und verbeugte sich scherzhaft.
    »Zu Diensten, Euer Erlaucht.«
    »Ein lustiges Gesicht«, bemerkte Schustrow wohlwollend. »Ich habe Nachforschungen anstellen lassen. Das Publikum liebt die Komiker fast ebenso wie die
F emme fatales.
    »Wir sind nur Diener. Wir spielen, wen Sie befehlen. Eine
Femme
fatale
? Ist mir eine Freude!« Lowtschilin salutierte und ahmte sogleich recht gelungen die Altaïrskaja nach: verschleierter Blick, geziert gefaltete Hände, selbst das halbe Lächeln gelang ihm.
    Alle Schauspieler lachten, sogar die Lointaine selbst. Nur zwei Personen waren nicht belustigt: Schustrow, der mit ernster Miene nickte, und Fandorin – ihm war die Grimassiererei unangenehm.
    »Und das hier ist unsere Muntere, Serafima Klubnikina. Ich habe sie als Susanna in ›Figaros Hochzeit‹ gesehen und sofort engagiert.
    Die hübsche mollige Blondine machte einen raschen Knicks.
    »Ist es wahr, dass Sie Junggeselle sind?«, fragte sie, und in ihren Augen hüpften Teufelchen.
    »Ja, aber ich werde bald heiraten«, antwortete Schustrow gelassen, ohne auf das Spiel einzugehen. »Es wird Zeit. Das Alter.«
    Eine lange dünne Dame mit knochigem Gesicht sagte, den riesigen Mund verzogen, in lautem Bühnenflüsterton (wie es in Regieanweisungen heißt: »beiseite«):
    »Entwarnung, Sima. Auf diesen Köder beißt der Fisch nicht an.«
    »Xanthippa Petrowna Lissizkaja 20 – Intrigantin. Der Regisseur wies mit ausgestrecktem Arm auf sie. »Sozusagen eine intrigante Füchsin. Früher war sie im komischen Fach, aber nicht sehr erfolgreich. Ich habe ihre wahre Bestimmung entdeckt. Sie war bei mir eine großartige Lady Macbeth und auch sehr gut in den ›Drei Schwestern‹. Ihre Natalja lässt das Publikum förmlich vor Hass brodeln.«
    »Kindermärchen sind auch ein sehr perspektivreiches Genre«, bemerkte Schustrow dazu, seiner inneren Logik folgend. Die er sogleich erläuterte: »Sie wären eine gute Schneekönigin. Richtig furchteinflößend, die Kleinen würden weinen.«
    »Merci«, bedankte sich die Intrigantin und strich sich demonstrativ übers Haar, das so eng am Kopf anlag, als sollten absichtlich die übergroßen Ohren betont werden. »Oh, hören Sie das?«
    Sie zeigte zum Fenster. Draußen skandierten Frauenstimmen etwas. »Sma-rag-dow! Sma-rag-dow«, verstand Erast Petrowitsch.
    Vermutlich Verehrerinnen; sie hoffen, dass ihr Idol aus dem Fenster schaut.
    »Was rufen sie?« Die Lissizkaja tat, als lausche sie. »›Me-fis-tow?‹ Bei Gott, ›Mefistow‹!« Freudig erregt wandte sie sich ihrem Nachbarn zu. »Anton Iwanowitsch, das Moskauer Publikum weiß Ihr Talent zu schätzen! Ach, Sie waren phantastisch als Falschspieler!«
    Fandorin wunderte sich – sie konnte sich unmöglich verhört haben.
    Der Mann, an den sich die Intrigantin gewandt hatte, brünett, mit großer Nase und buschigen geschwungenen Brauen, grinste

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