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Moskauer Diva

Moskauer Diva

Titel: Moskauer Diva Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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Favoritin?« Der Beau wies mit einem Kopfnicken auf Elisa, an Schustrow gewandt.
    Was für eine Unverschämtheit, dachte Fandorin stirnrunzelnd. Weist ihn denn niemand zurecht? Und was meint er mit »Favoritin«?
    »Ippolit, halt den Mund. Du langweilst alle«, sagte die Dame, die sich vorhin bedauert hatte, dass sie nicht ihr Moirékleid trug.
    »Und das ist Wassilissa Prokofjewna Reginina, unsere Grande Dame«, sagte Stern, während er den Mäzen zu ihr führte. »Sie war eine geniale Königin Gertrud, die Kritiker haben sie einhellig gelobt.«
    »Sie nannten sie ›unvergänglich‹«, ergänzte der Nachbar der Grande Dame
,
der Mann mit dem bläulichen Schimmer im grauen Haar.
    Begleitet von gedämpftem Kichern, warf die monumentale Wassilissa Prokofjewna einen vernichtenden Blick auf den Witzbold.
    »Eine Stimme aus dem Jenseits«, zischte sie. »Tote sollten schweigen.«
    Das Lachen wurde lauter.
    Die Beziehungen in der Truppe sind kompliziert, die Atmosphäre ist elektrisch geladen, konstatierte Erast Petrowitsch. Die Reginina reckte ihr molliges Kinn.
    »Nichts ist schlimmer für eine Schauspielerin, als sich zu lange an die Rolle der jugendlichen Heldin zu klammern. Man muss rechtzeitig von einem Frauenalter ins nächste wechseln können. Ich werde Noah Nojewitsch auf ewig dankbar sein dafür, dass er mich überredet hat, Schluss zu machen mit den Desdemonas, Cordelias und Julias. Mein Gott, was für eine Befreiung, sich nicht mehr jünger machen zu müssen, nicht wegen jeder neuen Falte hysterisch zu werden! Jetzt kann ich bis an mein seliges Ende Katharina die Große und die Kabanicha spielen. Ich esse Kuchen, habe vierzig Pfund zugenommen und leide kein bisschen!«
    Das hatte sie wahrhaft majestätisch gesagt. Stern rief:
    »Eine Königin! Eine wahre
Regina!
Sie sollten sich ärgern, dass Sie Ihr Glück laufenließen«, tadelte er den Grauhaarigen. »Das ist unser Räsoneur Lew Spiridonowitsch Rasumowski, ein höchst weiser Mann, wenn auch manchmal ein wenig spitz. Früher einmal Erster Liebhaber. Und wohl nicht nur auf der Bühne, wie, Lew Spiridonowitsch? Lüften Sie endlich das Geheimnis – warum haben Sie sich von Wassilissa scheiden lassen? Warum nennt sie Sie einen Toten?«
    Fandorin bemerkte die Lebhaftigkeit in der Truppe, erriet, dass dieses Thema sehr beliebt war, und wunderte sich: War das nicht seltsam – in einer so kleinen Truppe geschiedene Ehepartner zu beschäftigen, die zudem keine guten Beziehungen bewahrt hatten?
    »Wassilissa nennt mich so, weil ich für sie gestorben bin«, antwortete der Charakterdarsteller. »Ich habe tatsächlich etwas Ungeheuerliches getan, für das es keine Vergebung gibt. Nicht, dass ich darum betteln würde … Aber die Details sollten besser unter uns bleiben.«
    »Leichnam. Ein lebender Leichnam.« Die Reginina verzog den Mund, als sie den Titel eines Theaterstücks 18 zitierte, über das in dieser Spielzeit ganz Russland sprach.
    Schustrow wurde plötzlich lebhaft.
    »Richtig«, sagte er. »›Der lebende Leichnam‹ ist ein ausgezeichnetes Beispiel dafür, wie Theater und Kinematograph einander unterstützen und füreinander werben. Graf Tolstoi hat ein nichtveröffentlichtes Stück hinterlassen, der Text gelangte auf geheimnisvolle Weise zu meinem Konkurrenten Perski, und der hat bereits begonnen, einen Film danach zu drehen, ohne erst auf die Theateraufführung zu warten! Den Inhalt kennt noch niemand, maschinengeschriebene Abschriften werden gestohlen und für dreihundert Rubel verkauft! Die Familie des Verstorbenen geht vor Gericht! Ich kann mir vorstellen, wie das Publikum die Kinematographen und die Theater stürmen wird! Ein großartiges Arrangement! Wir werden darüber später noch sprechen.«
    Er beruhigte sich so plötzlich, wie er sich erregt hatte. Alle sahen den Unternehmer mit respektvollem Unverständnis an.
    »Mein Assistent Dewjatkin.« Noah Nojewitsch zeigte auf den von der Schlange Gebissenen. »Und zugleich Schauspieler ohne Rollenfach, ein sogenannter Mitspieler. Seine Geschichte ist in gewisser Weise einzigartig. Er ist in einer Kadettenanstalt aufgewachsen, hat in einem Pionierbataillon bei Beschbarmak gedient …«
    »Auf Mangyschlak«, korrigierte Dewjatkin.
    »Jedenfalls in einem fürchterlichen Kaff, wo die größte kulturelle Attraktion der Schweinemarkt ist.«
    Der Regieassistent korrigierte ihn erneut: »Nicht der Schweine-, sondern der Pferdemarkt. Schweine werden dort nicht gezüchtet, das ist moslemisches Land.«
    »Und

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