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Moskauer Diva

Moskauer Diva

Titel: Moskauer Diva Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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Helden und Liebhabers! Darum stehen die Verehrerinnen kreischend draußen unterm Fenster.«
    Der Beau Ippolit machte eine bühnenreife Verbeugung.
    »Auch Witziges haben wir hier.« Stern blätterte ein paar Seiten weiter. »Schauen Sie, was Kostja Lowtschilin gezeichnet hat. Oben auf der Seite steht:
Und Noah ging mit seinen Söhnen und seiner Frau und den Frauen seiner Söhne in die Arche und mit aller Art von wilden Tieren und Herdenvieh, Kriechtieren und vielfältig gefiederten Vögeln, immer ein Männchen und ein Weibchen.
Und darunter sind wir alle sehr ähnlich dargestellt. Hier bin ich mit meinen ›Kindern‹ Elisa und Ippolit, hier die Grande Dame mit Rasumowski als edle wilde Tiere, hier das ›Herdenvieh‹ – Kostja selbst mit Serafima Klubnikina, hier unser Intrigant und unsere Intrigantin als Kriechtiere,und hier die vielfältig gefiederten Vögel – Wassja als Uhu und Soja als Kolibri, und Dewjatkin als Anker!«
    Schustrow betrachtete die Karikatur eingehend.
    »Es gibt noch ein weiteres Genre der Kinematographie – Animationen«, sagte er. »Das sind Zeichnungen, die sich bewegen. Damit müssen wir uns auch befassen.«
    »He, einen Federhalter und das Tintenfass!«, befahl Noah Nojewitsch und malte feierlich Buchstaben auf ein leeres Blatt.
    Alle drängten sich um ihn und schauten ihm über die Schulter. Auch Fandorin trat hinzu.
    Oben auf der Seite stand nun in Druckbuchstaben:
     
    6. (19.) September 1911, Montag
    »Tag der Unabhängigkeit, erlangt dank der überwältigenden Großzügigkeit des noblen A. G. Schustrow: jährlich zu begehen!«
     
    Alle riefen dreimal »Vivat!«
    Sie wollten ihren Wohltäter erneut mit Küssen und Händeschütteln attackieren, doch der wich geschickt zurück zur Tür.
    »Ich muss um fünf Uhr in einer Sitzung der Stadtduma sein. Es geht um eine wichtige Frage: ob Gymnasiasten der Besuch von Abendvorstellungen in Elektrotheatern erlaubt sein soll. Das ist fast ein Drittel unseres potentiellen Publikums. Ich empfehle mich.«
     
    Nachdem er gegangen war, äußerten die Schauspieler noch eine Weile ihre Begeisterung, dann forderte Stern sie auf, sich zu setzen. Schlagartig verstummten alle.
    Es stand noch etwas Wichtiges bevor: Die Verkündung des neuen Stücks und der Besetzung. Die Gesichter drückten Anspannung aus; mit einer Mischung aus Argwohn und Hoffnung schauten alle Schauspieler zu ihrem Direktor. Am ruhigsten wirkten Smaragdow und die Altaïrskaja-Loinaine, sie brauchten keineAngst vor einer unvorteilhaften Rolle zu haben. Doch auch sie schienen aufgeregt zu sein.
    Fandorin, auf seinen Beobachtungsposten zurückgekehrt, war ebenfalls gespannt, denn er erinnerte sich an Noah Nojewitschs Worte, in diesem Moment würden die notorischen Verstellungskünstler ihr wahres Ich offenbaren. Vielleicht bekam er nun ein klareres Bild.
    Die Nachricht, dass die Truppe den »Kirschgarten« spielen würde, stieß auf wenig Begeisterung und entspannte die Atmosphäre nicht.
    »Lässt sich nicht etwas Neueres finden?«, fragte Smaragdow, und einige andere nickten beifällig. »Wozu brauchen wir einen Stückesucher« – er wies auf Fandorin –, »wenn wir wieder Tschechow spielen? Lieber etwas Lebendigeres, Unterhaltsameres.«
    »Wo soll ich ein neues Stück hernehmen, noch dazu mit guten Rollen für jeden?«, empörte sich Noah Nojewitsch. »›Der Kirschgarten‹ lässt sich wunderbar in zwölf Rollen aufteilen. Das Publikum kennt die Geschichte schon, das ist wahr. Aber wir werden sie ganz revolutionär auslegen. Worum geht es Ihrer Ansicht nach in dem Stück?«
    Alle überlegten.
    »Um den Triumph des groben Materialismus über die nutzlose Schönheit?«, lautete die Vermutung der Altaïrskaja.
    Erast Petrowitsch dachte: Sie ist klug, das ist wunderbar. Aber Stern war nicht ihrer Meinung.
    »Nein, liebe Elisa. In diesem Stück geht es um die Komik der Machtlosigkeit des Intellektuellen und um die Unabwendbarkeit des Todes. Es ist ein grausames Stück mit einem Ende ohne Ausweg, zudem sehr böse. Als Komödie wird es allein deshalb bezeichnet, weil das Schicksal die Menschen erbarmungslos verspottet. Wie immer bei Tschechow ist hier alles nur angedeutet, in Pastelltönen gehalten. Aber wir werden alles Unausgesprochene zuabsoluter Klarheit verdeutlichen. Das wird eine antitschechowsche Tschechow-Inszenierung!« Der Regisseur ereiferte sich immer mehr. »Bei Tschechow gibt es in diesem Drama keinen Konflikt, denn als er das Stück schrieb, war er schwerkrank und hatte

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