Moskauer Diva
will Sie nicht vor Ihrer Obrigkeit k-kompromittieren. Da Sie doch eigens ermahnt wurden, Herrn Zarkow nicht zu belästigen. Aber vielleicht wissen Sie ja wenigstens, wo sich das berüchtigte Kontor zur Zeit befindet?«
Subbotin zuckte die Achseln.
»Leider …«
»Macht nichts. Das ist die g-geringste Schwierigkeit.«
Angenehme Rückbesinnung
auf die Vergangenheit
Fandorin gedachte den jetzigen Sitz des Kontors von Herrn Zarkow auf ganz simple Weise zu finden: indem er Mr. Swist folgte. Aber das erwies sich als nicht so einfach.
Das Vorhaben war etwas Vertrautes, recht Angenehmes. Erast Petrowitsch hielt sich zu Recht für einen Meister der Verfolgung. In den letzten Jahren hatte er nur selten Gelegenheit gehabt, sich an jemanden »dranzuhängen«. Umso mehr Spaß machte es ihm nun, sich auf seine Vergangenheit zu besinnen.
Ein Automobil war ein praktisches Ding – man konnte darin mehrere Verkleidungen mitnehmen, Schminksachen, das nötige Werkzeug und sogar eine Thermoskanne mit Tee. Im neunzehnten Jahrhundert hatte er unter weniger komfortablen Bedingungen Leute beschatten müssen.
Auf dem Theaterplatz hielt Fandorin vergeblich nach dem Zielobjekt Ausschau, darum ging er in die Kamergerski-Gasse und entdeckte das Spekulanten-Oberhaupt am Eingang des Künstlertheaters. Lipkow stand wie üblich scheinbar untätig da, pfiff vor sich hin, ab und an trat jemand zu ihm – vermutlich Springer oder Pinscher, vielleicht auch Informanten. Sie wechselten jedes Mal nur wenige Worte miteinander. Hin und wieder öffnete Swist sein grünes Portefeuille und holte etwas heraus oder steckte etwas hinein. Kurz – er arbeitete im Schweiße seines Angesichts, rührte sich nicht von seinem Arbeitsplatz weg.
Seinen Wagen hatte Fandorin etwa fünfzig Schritte weiter geparkt, vor einem Geschäft für Damenkleidung, wo bereits mehrere Kutschen und Autos standen. Zum Beobachten benutzte er eine ausgezeichnete deutsche Neuheit: Ein Fotofernglas, mit dem man Momentaufnahmen machen konnte. Für alle Fälle fotografierte Erast Petrowitsch jeden, mit dem Mr. Swist sprach – nicht sosehr zu praktischen Zwecken, sondern um den Apparat auszuprobieren.
Um halb drei bewegte sich das Zielobjekt vom Fleck – zu Fuß, woraus Fandorin schloss, dass er keinen weiten Weg vor sich hatte. Anfangs wollte Fandorin ihm im Auto folgen, zum Glück war die Straße ziemlich stark befahren, auch waren genügend Fußgänger unterwegs, doch er bemerkte rechtzeitig, dass Swist begleitet wurde: Auf beiden Seiten der Straße folgten ihm zwei junge Männer im Abstand von 15-20 Schritten. Die beiden hatte Fandorin kurz zuvor mit seiner Kamera festgehalten. Offensichtlich zwei Pinscher, die ihrem Chef als eine Art Leibwächter dienten.
Fandorin musste also auf seinen Isotta-Fraschini verzichten. Bekleidet war er mit einer unauffälligen Wendejacke (auf der einen Seite grau, auf der anderen braun). In einer Schultertasche, wie sie Handelsreisende tragen, lag ein Reservekleidungsstück, eine weitere Wendejacke. Der Bart, mit einem Kleber eigener Rezeptur befestigt, ließ sich mit einer einzigen Bewegung abnehmen; die Brille mit dem Horngestell machte das Gesicht fast unkenntlich.
Das Zielobjekt passierte die Kusnezki-Brücke, bog nach rechts ab und bezog Position an der äußersten Säule des Bolschoi-Theaters. Dort spielte sich das Gleiche ab wie zuvor: Swist klackte mit dem Verschluss seines Portefeuilles und wechselte jeweils ein paar Worte mit geschäftig herbeieilenden Männern.
Eigentlich könnte ich jetzt mein Automobil holen, überlegte Fandorin. Nun ist klar, dass er vom Bolschoi zur »Arche Noah« gehen wird – offensichtlich seine übliche Route.
Zehn Minuten später stand der Isotta zwischen den beiden Theatern, so dass Fandorin bequem beide Seiten im Blick hatte.
Zu den Kassen der »Arche« begab sich Mr. Swist Punkt vier. Die Springer hier waren andere als am Künstlertheater und am Bolschoi, die Pinscher jedoch dieselben. Sie deckten ihren Anführer rechts und links, blieben aber auf Abstand.
Unweit vom Bühneneingang lungerte ein Mann mit einem tief ins Gesicht gezogenen Hut und in einem leichten Mantel aus Rohseide herum. Er fiel Fandorin auf, weil er sich seltsam verhielt: Jedes Mal, wenn die Tür aufging, versteckte er sich hinter einer mit Plakaten beklebten Säule. Fandorin sah sich genötigt, auszusteigen und sich den interessanten Herrn näher anzusehen. Er hatte einen dunklen Teint, eine große kaukasische Nase und über der
Weitere Kostenlose Bücher