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Moskito

Moskito

Titel: Moskito Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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Primus-Bier, während sie sich über alte Freunde und neue Epidemien unterhielten. Im Kongo trank man entweder in Flaschen abgefülltes Wasser oder Bier. Man putzte sich sogar die Zähne mit Bier. Oder mit dem allgegenwärtigen Coke, das es irgendwie schaffte, selbst im heftigsten Krieg überall auf der Welt aufzutauchen. Würde die Weltgesundheitsorganisation so gut funktionieren wie Coca-Cola, sann Melanie, könnte man mit Antibiotika auch im tiefsten Regenwald rechnen.
    »Ekombe, ich möchte Sie um einen Gefallen bitten«, sagte sie, als das gesellige Begrüßungsgeplauder erledigt war.
    »Ja?« Aufmerksam sah er sie an.
    »Ich muß in den Dschungel. Zu einem Dorf namens Yamdongi in der Kisangani-Region.«
    »Ah ja. Wo es die letzte Malariaepidemie gab. Ich habe gehört, daß sie glücklicherweise sehr kurz war. Aber weshalb kommen Sie zu mir? Das Zentrum für Seuchenkontrolle …«
    »Ich bin nicht im Auftrag des Zentrums hier, sondern inoffiziell und ganz auf mich allein gestellt. Aber ich brauche ein Ärztevisum, um ohne Verzögerung nach Yamdongi durchzukommen. Und ich brauche Sie, damit Sie sowohl die katholische Mission in Lubundu verständigen als auch alle medizinischen Einrichtungen, die von der Epidemie in Yamdongi noch vorhanden sind.«
    »Ein Zelthospital ist vorhanden, und ein Mediziner von ›Ärzte ohne Grenzen‹ ist noch dageblieben. Zum Ausmisten.« Während seiner Arbeit mit den Amerikanern hatte Kifoto mit wahrer Begeisterung alle Slangausdrücke ins Französische, Bantu und Tutsi übertragen. »Aber wozu, Melanie? Die Epidemie ist vorbei.«
    »Das weiß ich. Haben Sie die Kurven gesehen?«
    Kifoto hob die Schultern. »Es ist so wie immer. Viel zuviel Arbeit hier.«
    »Ich weiß. Bitte tun Sie das für mich, Ekombe. Ohne Fragen zu stellen.«
    »Sicher. Sie wissen doch, daß ich es tue. Melanie …« Er fixierte ihre beiden Taschen. »Haben Sie vielleicht Medikamente mit? Wir haben fast keine. Nein, natürlich nicht. Nicht, wenn Sie ohne offizielle Anmeldung in den Kongo gekommen sind.«
    »Tut mir leid«, würgte sie hervor. »Ich konnte nicht …«
    »Ich weiß. Denken Sie nicht mehr daran.«
    Als ob das, inmitten von malariakranken und würmergeplagten Kindern, möglich gewesen wäre.
     
    Gewappnet mit den Papieren, die sie von Kifoto erhalten hatte und die einen Ärztepaß einschlossen, für den er die Unterschrift des neuen Gesundheitsministers (wenn das kein hoffnungsloser Job war!) erhalten hatte, änderte Melanie von neuem ihre Identität. Jetzt war sie keine anonyme Touristin mehr. Jetzt war sie Ärztin. Der Ärztepaß war das einzige Dokument, das ihr gestattete, in den Regenwald zu reisen, und zwar ohne eine ›Begleiteskorte‹ aus Armeeoffizieren, die tausend Fragen stellten, die Dorfbewohner erschreckten und bestochen werden wollten. Ein Ärztepaß erlaubte einem, überall hinzugehen – wenn auch nicht unbedingt gefahrlos.
    Sie nahm wiederum ein Taxi, diesmal nach N’Dolo, dem kleineren Flughafen von Kinshasa, und von da aus eine sehr alte Propellermaschine zu einem kleinen Flugfeld in Kisangani, einhundertzehn Kilometer von Yamdongi entfernt. Dort wurde sie schon von Marie-Stephanie erwartet, einer katholischen Missionsschwester, die seit fünfunddreißig Jahren im Kongo lebte und nun schon die dritte Generation Bantu-Mädchen das Nähen lehrte, das Abkochen von Trinkwasser und das Stolpern durch die Schriften der Heiligen Theresa, der Kleinen Blume. Schwester Marie-Stephanie konnte nichts mehr überraschen. Sie hatte Epidemien überlebt, Revolutionen, paramilitärische Banditen, Ernteausfälle, Überschwemmungen, Hungersnöte und Medizinmänner. Ihr sonnengegerbtes Gesicht unter dem traditionellen weißen Schleier taxierte Melanie dreißig Sekunden lang und behielt das Resultat bei sich.
    Nach einer Nacht in der Missionsstation wurde Melanie mit einem Landrover nach Yamdongi gebracht, was acht Stunden dauerte. Der Fahrer war der heiterste Mensch, dem Melanie je begegnet war. Er pfiff die ganzen acht Stunden vor sich hin, wobei er atonale Melodien der Eingeborenen mit alten amerikanischen und britischen Rock-Nummern durchmischte. Einmal vermeinte Melanie, ›I Can’t Get No Satisfaction‹ zu erkennen, aber bei dem lauten Motorengeräusch des Landrovers war es schwer zu sagen. Zwischen den Liedern hielt der Fahrer seine Lippen mit Hilfe von Bier feucht, während der Wagen über die tiefgefurchten Pfade des üppigen Regenwaldes hüpfte und schwankte.
    Straßenkarten waren im

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