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Moskito

Moskito

Titel: Moskito Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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Kongo immer schon hoffnungsfrohe Fiktionen gewesen. Eingezeichnete Fahrwege existierten nicht und hatten nie existiert, ›Überlandstraßen‹ stellten sich als zwei Fahrspuren im Lehm heraus, die bei jedem explosiven Regenguß voll Wasser standen. Brücken waren entweder weggeschwemmt, gesprengt, verbrannt oder des Metalles wegen abmontiert und gestohlen worden.
    Während der ganzen Fahrt hielt Melanie Ausschau nach Affen. Affen waren hier ein guter Maßstab für den Zustand der Wirtschaft. In guten Zeiten schwangen sie sich von Ast zu Ast und schnatterten. In schlechten Zeiten waren sie alle aufgegessen. Diesmal sah Melanie Affen.
    Und schließlich – gerade als ihre Zähne drohten, aus dem Zahnfleisch gerüttelt zu werden – erreichten sie Yamdongi. »Hallo! Doktor Spencer?«
    Er kam aus dem Zelthospital und lächelte. »Frau Doktor Anderson.«
    »Ja.« Auf wackligen Beinen kletterte sie aus dem Landrover. Der Fahrer sah sie erwartungsvoll und mit ungebremstem Optimismus an. Sie gab ihm fünf amerikanische Dollar – ein Vermögen – und konnte zusehen, wie sein Gesicht zu strahlen begann. Er hob ihre Taschen aus dem Wagen und fuhr singend davon.
    Brian Spencer sagte: »Doktor Kifoto hat mir über Funk Ihr Kommen avisiert. Aber die Epidemie ist vorbei, müssen Sie wissen.« Sein Akzent deutete auf den Norden von England.
    »Ja, ich weiß. Ich habe nur ein paar Fragen für die Auswertung.«
    »Gern, gern. Wenn ich Ihnen eine Hilfe sein kann. Vielleicht möchten Sie jetzt essen?«
    »O ja, vielen Dank«, sagte sie. Er war sehr jung – sechsundzwanzig? Achtundzwanzig? Lebhaft, idealistisch, gesprächig. Über Eintopf und Bier erzählte er alles über die Epidemie, was sie wissen wollte.
    »Es war das Übliche, außer daß die Opfer ungewöhnlich rasch starben. Viele Gehirnschläge darunter, vermute ich, obwohl wir hier natürlich nicht für Autopsien eingerichtet sind. In erster Linie auch nicht die Zeit dafür hätten. Außerdem endete die Epidemie unerwartet abrupt. Merkwürdig, das, aber wir waren alle sehr froh darüber. An ihrem Höhepunkt verabreichten wir dreihundert Chloroquin-Injektionen am Tag. Da bleibt nicht viel Zeit für anderes. Sie kamen von so entfernten Orten wie Bienge zu uns. Glücklicherweise hatte ich ausgezeichnete einheimische Schwestern. Nur eine von ihnen ist noch hier, Sebo Masemo. Wir beide kehren nächste Woche nach Kisangani zurück. Ich habe Ihnen eines der Schwesternzimmer vorbereitet. Nicht sehr luxuriös, fürchte ich, aber erträglich.«
    »Vielen Dank. Doktor Spencer, haben sie während der Epidemie und ganz besonders unmittelbar vor ihrem Ende ungewöhnliche Bewegungen im Dorf oder im Dschungel wahrgenommen?«
    »Bewegungen? Was für Bewegungen?«
    »Von Soldaten. Oder von Leuten mit Geräten zur Bekämpfung der Anophelesmücke, die normalerweise hier nicht verfügbar sind?«
    Er zündete sich eine französische Zigarette an. Melanie war nicht überrascht; in Afrika lebten auch Ärzte lieber mit einem zukünftigen Emphysem als mit gegenwärtigen Insekten.
    Der Rauch nebelte seinen Kopf ein. »Frau Doktor Anderson, es gab und gibt hier keine Geräte zur Bekämpfung der Anophelesmücke. Nicht bei der letzten Epidemie und nicht bei der davor. Und auch nicht bei der nächsten.« Mit einemmal sah er viel älter aus.
    Melanie verriet ihm nicht, daß sie an ihrem ersten epidemiologischen Einsatz teilgenommen hatte, als er noch nicht einmal an der Universität inskribiert war. Je weniger sie preisgab, desto besser.
    Er sagte: »Ich nehme an, Sie möchten einen Blick auf das Hospital werfen.«
    »Ja, bitte.«
    Auf einem kleinen hölzernen Schild vor dem grauen Zelt stand: MEDECINS SANS FRONTIERES. Im Innern sah es aus wie gewöhnlich: hölzerne Bettrahmen mit Palmblattmatratzen, ein Generator für echte Notfälle, Autoklav und Kühlschrank, versperrter Medikamentenschrank. Ein ›Labor‹ mit Kulturen und Reagenzien, um herauszufinden, mit welcher Art von Mikrobe man es zu tun hatte, aber kein Elektronenmikroskop, um herauszufinden, womit man es wirklich zu tun hatte. Melanie sah keine automatischen Gewehre, doch sie existierten ganz sicher.
    So nahe am Äquator wurde es um sechs Uhr abends dunkel. Brian Spencer zündete eine Kerosinlampe an und geleitete Melanie durch die Abteilungen, von denen es zwei gab: für Männer und für Frauen. Die Kinder befanden sich bei den Frauen. Das Hospital beherbergte weniger als ein Dutzend Patienten in jeder Abteilung, und es waren Betten für alle

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