Moskito
vorhanden.
»Ça va, Mbuzu?« sagte Spencer zu einer der Frauen, die schwach zurücklächelte. Zu Melanie sagte er: »Malaria. Eine der letzten Neuerkrankungen.«
Mit einem freundlichen Lächeln trat Melanie an das Bett der Kranken, die ihr erlaubte, eine kurze Untersuchung durchzuführen. Vergrößerte und verhärtete Milz; harte, heiße Bauchdecke; Gesicht und Hals abgemagert. Dieselben Symptome, die Hippokrates zweieinhalb Jahrtausende zuvor exakt beschrieben hatte. Immer noch da.
Am nächsten Bett sagte Spencer: »Ruhr.«
»Unterernährung.«
»Malaria.«
»Fehlgeburt.«
»Malaria. Befinden schon sehr gut.«
»Gebrochener Arm.«
»Ruhr.«
»Malaria.«
Vor dem letzten Bett blieb Spencer stehen. Eine Frau lag reglos darauf; ihre Arme waren dicht unterhalb der Ellbogen abgehackt. Die Stümpfe waren frisch bandagiert, und die Frau wirkte sediert, jedoch nicht so stark, daß die Angst aus ihrem Gesicht gewichen wäre.
»Ich weiß nicht, was da geschehen ist«, sagte Spencer. »Sie taumelte zwar allein ins Hospital, aber ich meine, es muß ihr jemand geholfen haben, überhaupt so weit zu kommen. Sie spricht kein Französisch, und meine Krankenschwester kennt ihren Dialekt nicht.«
Melanie kniete sich neben das Bett der Frau und probierte alle einheimischen Sprachen durch, in denen sie sich – unzureichend – ausdrücken konnte. Schließlich murmelte die Frau zurück.
Melanie stand auf. »Sie sagt, es waren Soldaten. Weil sie Diamanten wollten, und sie hatte keine.«
»Vermutlich paramilitärische Banden«, sagte Spencer. »Es gibt noch etliche im Busch, obwohl die Armee sie ziemlich erfolgreich aufspürt. Sie sprechen etliche Dialekte, Frau Doktor Anderson.«
»Und alle nur schlecht«, stellte sie fest. Die Frau auf dem Bett hatte nun endlich die Augen geschlossen, als hätte ihr das einfache Sprechenkönnen über das, was ihr widerfahren war, den Schlaf gebracht. Melanie sah sie an, und das Herz krampfte sich ihr zusammen. Jedesmal, wenn sie nach Afrika kam, wurde sie überwältigt von Schuldgefühlen. Weil sie nicht mehr für diese Menschen tat, weil sie in Amerika lebte, weil sie in ihren eigenen sorgfältig betreuten Adern ein Dutzend Impfstoffe gegen Krankheiten mit sich herumtrug, an denen Afrikaner zu Millionen starben. Jedesmal, wenn sie nach Afrika kam, brach ihr Afrika das Herz, und sie konnte es nicht erwarten, von dort wegzugehen, auf daß sie sich wiederum zurücksehnen konnte. Jedesmal.
»Es ist ein gewaltiger Vorteil, mehrere afrikanische Sprachen zu sprechen, wenn auch nur schlecht«, sagte Spencer. Und fügte hinzu: »Vielleicht gelingt es Ihnen, das zu schaffen, was Sie vorhaben. Was immer es ist.«
Melanie sagte nichts. Sie hatte soeben das Gegenteil gedacht.
Bei Sonnenaufgang fing sie damit an und machte sich auf den kurzen Weg zum Dorf, das in dem zarten Licht so heiter wirkte. Etwa vierhundert Menschen, schätzte Melanie. Vielleicht vierhundertfünfzig. Ziegen grasten vor den Hütten, die aus einer Mischung von Holz, Flechtwerk und Lehm bestanden und Strohdächer hatten. In den Gärten wuchsen Süßkartoffeln, Mais und Maniok. Auf dem gemeinschaftlichen Kochplatz hatten die Frauen bereits die morgendlichen Feuer entfacht, und die Kinder brachten Holz und Wasser von einem nahen Fluß. Sie blieben wie angewurzelt stehen, als sie die schwarze Frau in Khakihosen, Stiefeln und Sonnenhut von Macy’s erblickten.
»Hallo«, sagte sie auf Bantu, worauf sie alle zu kichern begannen. »Wo ist das Haus von …« – sie konsultierte Spencers Liste der Familienoberhäupter des Dorfes – »Kambidi Mabalo?«
Wiederum Gekicher aus Mündern, die sich hinter vorgehaltenen Händen versteckten. Gott, waren sie süß! Melanie fragte sich, wieviele von ihnen eine Sichelzellenanlage hatten.
»Bitte, Kambidi Mabalo!«
Schließlich sagte einer der kleinen Jungen kühn: »Er ist im Haus seiner zweiten Frau.«
»Und wo ist das?«
Er zeigte auf eine der größten Hütten, und dann rannten sie plötzlich alle kichernd davon, wobei das Wasser aus ihren Eimern platschte. Innerhalb von zwei Minuten würde das ganze Dorf wissen, daß eine fremde Frau Kambidi Mabalo suchte.
Die zweite Frau ließ sie ein und hörte schweigend zu, als Melanie sich als Kollegin von Doktor Spencer vorstellte, während sie Melanies Geschenk inspizierte. Es war eine elektrische Taschenlampe, erworben von Spencer. Melanie hatte nicht viele Dinge mitbringen können, doch sie hatte ihr Scheckbuch mitgebracht. Spencer
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