Moskito
seine Anmaßung dieser Art von Kollegialität hatte. Cavanaugh hielt den Atem an.
Schließlich sagte sie: »Ich habe einen Vetter zweiten Grades im Büro des Sheriffs vom Distrikt Charles …«
»Ja! Bitte! Das ist ein Grund dafür, daß ich Sie gefragt habe. Bullen scheinen immerzu mit anderen Bullen verwandt zu sein. Ich bin Ihnen für Ihre Hilfe wirklich sehr dankbar, Tess. Und wo Sie nun schon einmal da sind, Tess … wie geht es Judy?«
Tess stand auf. Sie warf fünfzig Cents auf den Tisch, obwohl sie noch nicht einmal bestellt hatten. »Es geht ihr prächtig. Sie hat eine Menge Rendezvous, ist auch sonst ziemlich beschäftigt. Wenn ich etwas für Sie habe, rufe ich an. Wenn Sie nichts von mir hören, dann können Sie annehmen, daß sich nichts getan hat.«
»Aber wegen Judy …«
Tess blickte kein einziges Mal zurück, als sie zur Tür hinaus verschwand.
»Es geht ihr prächtig … eine Menge Rendezvous … ziemlich beschäftigt …«
Nun, das war ja gut, oder? Es klang, als wäre Judy glücklich, und Cavanaugh wollte sie glücklich wissen. Sie verdiente es, glücklich zu sein. Auch wenn er sich dabei fühlte wie …
»Möchten Sie jetzt bestellen?« fragte der Kellner.
Cavanaugh hob den Kopf. »Nein«, sagte er, »jetzt ist es zu spät.«
SIEBZEHN
Innerhalb der nächsten fünf oder zehn Jahre würde es wahrscheinlich möglich sein, einen neuen infektiösen Organismus herzustellen, der in gewissen wesentlichen Aspekten von jedem bekannten krankheitserregenden Organismus abweicht.
- Charles Poor, Geschäftsführender Zweiter Armeesekretär für Forschung und Entwicklung in seiner Aussage vor einem Unterausschuß des Haushaltsausschusses des Repräsentantenhauses, 1969
Auf dem Flughafen von Baltimore-Washington hatte Melanie nur siebzehn Minuten Aufenthalt. Doch indem sie so schnell rannte, wie es den über hundert eingenähten Insekten in ihrem Kleidersaum zuzumuten war, erreichte sie den Flugsteig gerade noch rechtzeitig für ihren Anschlußflug nach Atlanta. Diesen hatte sie aus der Luft, aus zehntausend Metern Höhe über dem Atlantik auf dem Rückflug aus Kinshasa gebucht.
In Atlanta nahm sie ein Taxi und ließ sich direkt zum Zentrum für Seuchenkontrolle fahren. Es war Freitag abend, und praktisch niemand war mehr da außer dem Sicherheitsdienst und Joe Krovetz, der in einem Labor der Sicherheitsstufe Eins schon ungeduldig auf sie wartete. Auch diesen Anruf hatte sie vom Flugzeug aus getätigt und nur soviel gesagt, wie unbedingt nötig gewesen war. Flugzeugtelefone waren nicht abhörsicher.
Melanie wußte, daß sie keine Labor-Spezialistin war. Natürlich war sie in der Lage, die Standardtechniken, einschließlich eines Rasterelektronenmikroskopes zu benutzen, um eine Mikrobe zu identifizieren. Aber sie war nicht in der Lage, winzigste Veränderungen in winzigsten Strukturen an winzigsten Parasiten zu erkennen. Ebensowenig wie sie genetische Veränderungen in der DNA isolieren konnte. Das gehörte zu einer sehr spezialisierten Mikrobiologie, und Melanie war von der Ausbildung her Medizinerin – praktische Ärztin. Im Zentrum hatte sie als Spitzenkraft bei Feldforschungen gearbeitet und nicht in der wissenschaftlichen Forschung. Sie brauchte jemanden, der die Anophelesexemplare, die sie aus dem Kongo mitgebracht hatte, auf subzellulärer Ebene untersuchen konnte. Jemand Geschulten, Sorgfältigen und Fähigen.
Gary Pershing wäre ihre erste Wahl gewesen. Er gehörte zu den Besten der Welt, wenn es darum ging, DNA zu extrahieren, zu sortieren und zu analysieren. Aber Pershing hatte für Melanie und ihre wilderen Ideen nie wirklich etwas übriggehabt. War das zurückzuführen auf ihre Persönlichkeit, auf den Umstand, daß sie eine Frau, oder auf den Umstand, daß sie schwarz war? Außerdem war Pershing, ungeachtet seiner enormen Fähigkeiten, in erster Linie ein gefinkelter Diplomat. Durchaus möglich, daß er hoffte, in Farlows freigewordene Position aufzurücken. Und wenn das zutraf, würde er gewiß nicht allzu viele konventionelle politische Boote ins Wanken bringen wollen.
Damit blieb ihr nur Krovetz. Er war zwar jung, doch das bedeutete auch, daß seine Ausbildung auf dem modernsten Stand war; überdies war sie sehr gründlich und auf dem richtigen Gebiet. Und für Joe Krovetz schien keine Idee zu wild.
Er wartete im Labor auf sie; er hatte angefangen, sich einen Bart wachsen zu lassen, vermutlich in dem Bemühen, älter zu wirken. Er sah aus wie ein Nachwuchsgangster aus
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