Moskito
existieren.
Sie ging zum Haustelefon und rief Jim Farlow an, den Leiter der Abteilung für spezielle Pathogene.
»Heilige Mutter Gottes!« sagte Farlow, als er eintrat. »Sind Sie sicher, Melanie?«
»Ich bin sicher«, antwortete sie in grimmigem Tonfall.
»Gut, gut. Also wiederholen Sie es. Ich möchte es einfach noch mal hören.«
»Der an einem Gehirnschlag verstorbene Senator Malcolm Peter Reading litt an Malaria im Anfangstadium. Die Hämoglobinelektrophorese bestätigt eine Sichelzellenanlage. Und ebenso bestätigt sie die Präsenz von Malariamerozoiten im Hb-S.«
»Das ist unmöglich«, sagte Farlow.
»Ich weiß, daß es unmöglich ist! Glauben Sie, ich weiß nicht, daß es unmöglich ist?« rief Melanie. Sie war sich durchaus bewußt, wie aufgebracht sie klang, aber im Moment konnte sie nichts dagegen tun.
Die Sichelzellenanlage, eine vererbte Anomalie des Blutes, schützt gegen Malaria. Seit Jahrzehnten eine bekannte Tatsache. Plasmodium, der einzellige Parasit, der Malaria hervorruft, kann in roten Blutkörperchen mit einer abnormen Form von Hämoglobin – des Sichelzellenhämoglobins Hb-S – nicht gedeihen. Diese roten Blutkörperchen nehmen bei absinkender Sauerstoffversorgung eine gestreckte, sichelförmige Gestalt an. Was dem Plasmodium offenbar nicht zusagt.
Eine Person mit Sichelzellenanlage hat natürlich auch gewisse Probleme, aber die sind nicht sehr ernsthafter Natur – anders als beim Träger der Sichelzellen anämie, die häufige Schmerzanfälle und oft einen frühen Tod hervorruft. Ein Mensch mit Sichelzellenanlage besitzt nur ein Gen für Hb-S, nicht zwei. Was bedeutet, daß bei Sauerstoffmangel seine roten Blutkörperchen nur zum Teil Sichelform annehmen, die meisten jedoch nicht. Normalerweise genügt es also, wenn diese Person darauf achtet, körperliche Anstrengungen über ein gewisses Maß hinaus zu vermeiden, wegen des Unterdrucks keine Langstreckenflüge zu unternehmen, und dann kann es durchaus sein, daß sie nicht einmal bemerkt, daß sie einen Gendefekt hat. Bei Menschen mit Sichelzellenanlage ist eine stärkere Tendenz zu Blutstauungen vorhanden, weil jene roten Blutkörperchen, die Sichelform annehmen, eben dadurch aneinander ›klebenbleiben‹ und Klümpchen bilden, welche die feineren Blutgefäße verstopfen. Diese ›Tendenz‹ bei nur einem Gen für Hb-S ist bei Menschen mit zwei Genen für Hb-S jedoch eine echte, konstante Gefahr.
Als kleine Entschädigung dafür ist ein Träger der Sichelzellenanlage gegen einen schweren Krankheitsverlauf bei Malaria geschützt, und schon bei einer Erstinfektion tritt sie in leichterer Form auf. Falls das Umfeld eine Infektion ermöglicht, was in den Vereinigten Staaten seit fünfzig Jahren nicht der Fall ist. Die letzten Reste von Malaria waren zum Ende des Zweiten Weltkrieges bereits ausgemerzt – nicht zuletzt dank des Zentrums für Seuchenkontrolle, das 1942 als ›Zentrum für Malariabekämpfung in Kriegsgebieten‹ gegründet worden war.
Doch nun hatte das Zentrum Beweise vorliegen, die nicht nur besagten, daß Senator Malcolm Peter Reading an einer Thrombose infolge einer Sichelzellenkrise verstorben war, sondern auch, daß die das tödliche Blutgerinnsel bildenden roten Blutkörperchen mit P. falciparum- Merozoiten befallen waren. Blutzellen mit Hb-S. Was ein Ding der Unmöglichkeit war.
Melanie zwang sich zur Ruhe. »Werfen Sie doch selbst einen Blick darauf, Jim. Es hat alles seine Richtigkeit. Die Parasiten sind in den Sichelzellen.« Sie schob ihn zum Mikroskop.
Während Farlow hineinstarrte, sah Melanie überdeutlich vor sich, was er erblickte: die unverwechselbaren Formen von P. falciparum wie kleine Siegelringe; durch die Einfärbung sahen sie aus wie winzige rubinfarbene Kerne, eingebettet in hellblaue runde Scheibchen im Innern langer, bananenförmiger, deutlich als solche erkennbarer Sichelzellen.
Farlow starrte lange durch das Mikroskop, ehe er sich wieder aufrichtete und sich mit der Handkante das Kinn rieb. Dann sah er Melanie an.
»Senator Malcolm Peter Reading«, sagte er.
»Ein Schwarzer«, ergänzte Melanie mit klarer Stimme und wartete, was er als nächstes sagen würde.
Fast alle Träger der Sichelzellenanlage sind Schwarze. Der genetische Tauschhandel Hämoglobin-S als Preis für den Schutz vor Malaria hatte sich in Afrika entwickelt; die Sichelzellenanlage war über den Sklavenhandel nach Amerika gekommen. Und gegenwärtig ist einer von zwölf Amerikanern afrikanischen Ursprungs Träger
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