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Moskito

Moskito

Titel: Moskito Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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und aussichtsreicher Kandidat für das Präsidentenamt an einem Thrombus gestorben ist, die Laboruntersuchungen jedoch außerdem ein Anfangsstadium von Malaria ergeben haben, obwohl es in den USA seit dem Zweiten Weltkrieg keine Malaria mehr gibt?«
    »Ja, Sir. Die letzte Seite des Berichts.«
    Im Stehen schob Goldstein die oberen Blätter des Stapels, die die Diagnose Malaria bestätigten, zur Seite: vorbei an den zu niedrigen Werten für Hämoglobin, Hämatokrit, Haptoglobin und Thrombozyten; an den erhöhten Werten für Laktatdehydrogenase und Retikulozyten; und selbstverständlich am Vorhandensein der Plasmodium-falciparum- Parasiten, die unter dem Mikroskop sichtbar waren. Doktor Goldstein kam zur letzten Seite und las sie. Einmal, zweimal. »Nein«, sagte er dann. »Absolut unmöglich.«
    Der jüngere Mann sagte nichts.
    Langsam ging Doktor Goldstein die einzelnen Seiten des Laborbefundes noch einmal durch und suchte nach einer plausiblen Erklärung. Er fand sie nicht.
    »Sir, ich habe selbst durch das Mikroskop gesehen. Die Merozoiten …«
    Aber Goldstein war nicht in der Stimmung für Augenzeugenberichte. Er kam zu einem plötzlichen Entschluß.
    »Rafe, erwähnen Sie das niemandem gegenüber, auch nicht gegenüber der Familie des Senators. Noch nicht. Und ich werde die Malaria aus dieser verdammten Pressekonferenz auch heraushalten. In der Zwischenzeit packen Sie ein paar Blutproben des Senators und Kopien der Laborbefunde zusammen und schicken Sie alles ans Zentrum für Seuchenkontrolle in Atlanta sowie an die Abteilung für infektiöse und Tropenkrankheiten am Walter Reed Hospital. Rufen Sie bei beiden Stellen an und erklären Sie denen unser Problem. Die sind für solche Verrücktheiten eingerichtet. Wir nicht.«
    »Ja, Sir«, sagte Rafe. Sein Blick traf auf den Doktor Goldsteins, und ganz kurz hielten einander die beiden Augenpaare fest – eines dunkelgrau, eines strahlend blau. Dann trennten sie sich wieder.
    Beiden Männern war bewußt, was nicht laut ausgesprochen worden war. David Goldstein war Jude, Rafe DuFort Franzose. Beide betrachteten sich als anständige, politisch kluge und korrekte Menschen ohne Vorurteile.
    »Das Zentrum für Seuchenkontrolle«, wiederholte Goldstein, »ist für solche Dinge genau das richtige. Dafür ist es da.«
    Er machte sich auf den Weg, um seine Erklärung, betreffend den Tod Senator Malcolm Peter Readings, vor der Presse abzugeben.
     
    Die Sendung aus dem New Yorker Krankenhaus traf per Expreßdienst bei der Haupteinlaufstelle des Zentrums für Seuchenkontrolle ein. Sie war mit rotem Marker beschriftet: ACHTUNG! INHALT GEFÄHRLICHE INFEKTIÖSE SUBSTANZEN! Die Männer, die an der Einlaufstelle arbeiteten, achteten kaum darauf. Sie bekamen jede Woche Dutzende solcher Päckchen zu Gesicht.
    Das Paket landete bei Doktor Melanie Anderson, der Malaria-Epidemiologin in der Abteilung für spezielle Pathogene. Sie las den Begleitbrief, studierte die Laborbefunde, zog die Phiolen mit den Blutproben aus dem Trockeneis, in dem sie steckten, und starrte sie ungläubig an.
    Irgend jemand hatte da gewaltig Scheiße gebaut. Was der Brief und die Befunde besagten, kam in den Annalen der Medizin einfach nicht vor.
    Nicht, daß Melanie Anderson für die Annalen der Medizin großen Respekt gehegt hätte. Sie hatte ihr Studium als Drittbeste ihres Jahrgangs an der medizinischen Fakultät der Universität Yale abgeschlossen, war danach voll heiligem Eifer, arme Hinterwäldler in Gegenden ohne ordentlichen Arzt zu behandeln, in ihre Heimat Mississippi zurückgekehrt, hatte in einer bettelarmen Gemeinde ihren Laden aufgemacht – und dann entdeckt, daß es sie anwiderte, Ärztin zu sein.
    Es widerte sie fast ebenso an, wie ihr eigener Vorname sie immer angewidert hatte. Welche schwarze Frau mit auch nur einer Spur von Selbstachtung, hatte sie als Sechzehnjährige ihrer unglücklichen Mutter vorgehalten, nannte ihr schwarzes Kind nach einer magnolienumrankten Südstaaten-Schönheit aus Vom Winde verweht? Wo blieb denn Mutters Stolz? Ihr gerechter Zorn? Patty Anderson, eingeschüchtert bis zur Hilflosigkeit von dieser wortgewaltigen, seltsam fremdartigen Tochter, hatte nur schweigend die Schultern gehoben. Sie fand nicht einmal den Mut zu erklären, daß sie der Registraturbeamtin, die den Geburtsschein ausstellte, den Namen ›Melody‹ genannt hatte – wie in ›A Pretty Girl Is Like a Melody …‹ Und daß diese weiße Frau offenbar Partys weiche, verschwommene Aussprache

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