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Moskito

Moskito

Titel: Moskito Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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auf und dazu das Trockeneis, das Mücken für menschlichen Atem hielten, wenn es sich verflüchtigte, und verschwand zwischen den Bäumen. Melanie rutschte den Abhang hinab zum Rand des Sumpfes.
    Mit diesem Teil der Epidemiologie beschäftigte Melanie sich normalerweise nicht, aber es war ihre Theorie, und sie war die einzige, die daran glaubte. Sie hatte mit dem Umstand begonnen, daß dieser Versuch eines Genozids von einem ländlichen Teil Marylands seinen Ausgang genommen hatte, statt zum Beispiel in Washington, D.C. Das legte zwei Möglichkeiten nahe, von denen keine die andere ausschloß. Die eine lautete: Wer auch immer der Urheber dieser Scheußlichkeit war, hatte die mit gentechnisch veränderter Malaria infizierte Anophelesmücke an einem entlegenen Ort freigesetzt, wo die Krankheit eine Chance haben würde, sich ungestört einzunisten, bevor die kleinen Provinzkrankenhäuser überhaupt merkten, daß sie existierte. Und genauso hätte es sich auch zugetragen, wenn nicht ein Senator der Vereinigten Staaten gestochen worden und in einer hochmodernen New Yorker Klinik gestorben wäre, wo man in der Lage und bereit war, mittels kompliziertester Tests den Grund dafür herauszufinden. Hätte nicht Senator Reading unfreiwilligerweise das Festmahl für einen infizierten Moskito zur Verfügung gestellt, dann wußte nur der Himmel, wieviele arme Schwarze noch gestorben wären, ehe irgend jemand erkannte, worum es sich bei ihren Gehirnschlägen in Wahrheit handelte.
    Wie es momentan stand, lag die Zahl der Opfer bei sechsundfünfzig: dreiundfünfzig Schwarze, ein Grieche, zwei Inder. Viele der Toten waren Kinder. Kinder spielten im Sommer gern im Freien.
    Die zweite Möglichkeit konnte sein, daß die Freisetzung der infizierten Stechmücken ein Unglück war. Ein Mißgeschick, weil verfrüht. Jemand hatte sie vom Ort ihrer Erschaffung wegtransportiert in der Absicht, sie dorthin zu befördern, wo sie eingesetzt werden sollten. Und einige waren dabei entkommen. Und deshalb kämpften Melanie und Joe sich jetzt durch hohes, nasses Gras, um nach Hinweisen zu suchen. Die Fernstraße Nummer 301 führte direkt durch das Zentrum der Epidemie und darüber hinaus über jene Brücke, die diesen gottverlassenen Winkel mit Virginia und dem tiefsten Süden verband.
    Wo Melanie sich voranbewegte, war der Untergrund naß; sie sank beinahe bis zum oberen Rand ihrer Stiefel in den Morast ein. Unter ihr gluckste und zischelte es, als sie etwa auf halbem Wege über den Sumpf vor einer Pfütze stehenblieb und sich darüberbeugte. Anopheles quadrimaculatus legt seine Eier auf der Oberfläche von stehendem Süßwasser ab, üblicherweise auf Wasser, das von dichter Vegetation umgeben ist, welche für schattige Stellen sorgt. Damit ist ein Großteil von Süd-Maryland beschrieben, wo der Grundwasserspiegel so hoch liegt, daß Sümpfe im Landesinneren ebenso häufig sind wie Salzsümpfe. Die Larven der Anophelesmücke lieben es, in der Sonne zu fressen und im Schatten zu ruhen.
    Die Pfütze war überzogen von einer Masse aus schwimmenden Mückeneiern. Melanie schöpfte sie vorsichtig ab und tat sie in einen Sammelbehälter. Gary würde sie untersuchen und einige davon ausbrüten lassen. Es war ein Zahlenspiel. Gab es Brutplätze der dritten oder vierten Mückengeneration, was ein Hinweis dafür sein konnte, daß die Freisetzung der allerersten Moskito an einem einzigen Punkt stattgefunden hatte? Die einzige Möglichkeit, das herauszufinden, war eine sorgfältige Ziehung von Stichproben an den unberührten Brutplätzen.
    »He! Sie! Schauen Sie mal hier rüber!«
    Melanie fuhr hoch. Zwei Männer platschten durch den Morast auf sie zu. Angst kroch eisig über ihr Rückgrat, bis sie die Aufschrift an ihrem Bus las, der hinter Joes Wagen parkte: KANAL 6 – TAGESSCHAU.
    »Verdammt!« rief einer der beiden Männer. Er hob ein Bein und versuchte, den Matsch von seinem glänzenden Lederschuh und der untersten Handbreit Hosenbein abzuschütteln. »He, Doktor Anderson! Sehen Sie mal her zu uns!« Der andere Mann hob eine Videokamera hoch.
    Melanie zog sich den Schirm ihrer Baseballkappe tief in die Stirn und drehte ihnen den Rücken zu. Sie watete weiter weg, in noch sumpfigeres Gelände. Dafür waren die Fernsehmenschen zwar nicht gekleidet, aber nichtsdestoweniger platschten sie hinter ihr her, der Kameramann filmend und der Reporter fluchend über den Dreck und die Nässe. »Doktor Anderson! Gehen Sie nicht weg! Könnten Sie uns bitte zeigen, welche von

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