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Moskito

Moskito

Titel: Moskito Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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all diesen Mücken die Malaria übertragen? Haben Sie eine in einem Gefäß, die wir filmen können!«
    Sie drehte sich um. »Hören Sie, meine Herren, dies hier ist eine wissenschaftliche Arbeit und kein Medientheater. Das Zentrum für Seuchenkontrolle hat hier eine lebenswichtige Aufgabe. Wenden Sie sich für die Informationen, die Sie brauchen, an die Pressestelle des Zentrums.«
    Der Reporter dachte gar nicht an eine Antwort. Der Kameramann filmte weiter. Während der Reporter sich noch hoffnungsvoll nach Moskitos umsah, hielt auf der Straße ein zweiter Übertragungswagen mit quietschenden Reifen neben dem ersten. Die Aufschrift lautete diesmal UPI.
    »Ach du lieber Himmel! Hört mal, Freunde, wenn ihr mir hier durch das Gelände trampelt, dann …«
    Drei Leute sprangen aus dem zweiten Wagen und wateten in den Sumpf.
    Eilig ging Melanie ihnen entgegen, wobei ihre Stiefel bei jedem Schritt im Morast steckenblieben und mit einem kleinen saugenden Geräusch herausgezogen werden mußten. »He, Mann! Kommen Sie nicht hier herein! Wissen Sie überhaupt, ob Sie nicht eine Sichelzellenanlage haben?«
    Der Schwarze starrte sie an, und Melanie verspürte eine augenblickliche Abneigung gegen ihn. Einer der Brüder, die meinten, schwarze Frauen existierten nur zur Befriedigung ihrer persönlichen Bedürfnisse. Sie kannte den Typus. »Hören Sie, wenn Sie nicht absolut sicher wissen, daß Sie keine Sichelzellenanlage haben, dann ist dies hier ein äußerst gefährlicher Ort für Sie!«
    »Ich habe einen Auftrag für eine Story«, sagte er. »Wer sind Sie?«
    »Doktor Melanie Anderson, Zentrum für Seuchenkontrolle!«
    »Ah ja. Na gut, stellen Sie sich dorthin und geben Sie uns sechzig Sekunden. Keine technischen Details, bitte.«
    »Vergessen Sie’s!« sagte sie kalt.
    Bevor er noch antworten konnte, tauchten zwei junge weiße Leute aus einer Baumgruppe auf der gegenüberliegenden Seite des Sumpfes auf und patschten umgehend auf Melanie zu. »Ist hier das Zentrum der Epidemie? Wir sind Absolventen der Universität und auf einer wissenschaftlichen Exkursion. Wer hat hier die Leitung, bitte?«
    »Wie sind Sie …?«
    »Kommt einer, kommen alle«, sagte der UPI-Mann sauer. Schlamm hing von seinen Hosenbeinen herab. »Sind uns offenbar gefolgt.«
    Einer der Universitätsabsolventen sagte: »Weiter hinten an der Straße sind noch ein paar Forscher unterwegs. Sie sprachen kein Englisch. Ich glaube, sie kommen vom Institut für Tropenmedizin in Antwerpen. Aber mein Französisch ist nicht besonders gut.«
    »Das war nicht Französisch, du Trottel!« sagte sein Begleiter. »Das war Holländisch! He, schau mal! CNN!«
    Ein weiterer Wagen näherte sich von der Fernstraße 301 her, wurde langsamer und hielt an. Und dann kam der nächste.
    Melanie holte lange und tief Atem und vergrub das Gesicht in den Händen.

SECHS
     
    Die Amerikaner haben jeden Grund, einen nuklearen, biologischen oder chemischen Angriff zu erwarten, noch ehe das Jahrzehnt zu Ende geht.
    - Senator Richard Lugar, 1995
     
     
    Das Faxgerät in Judys Arbeitszimmer piepste und begann zu surren. Sie drehte den Stuhl weg vom Computer und starrte es an. Bitte, laß es eine Zeichnung von Robert sein!
    Einst hatte er um sie geworben – falls man es ›umwerben‹ nennen konnte, wenn es nicht zu einer Heirat führte –, indem er ihr seine drolligen Karikaturen schickte. Über Fax, in Briefen, über eMail. Judy liebte sie. Sie liebte jene Seite an Robert, welche die Zeichnungen enthüllten: nicht den zähen, verbissenen FBI-Agenten, sondern den schrägen Humor, die närrische Zärtlichkeit. Ihre Lieblingsstücke waren an der Pinnwand aus Kork über ihrem Schreibtisch angebracht, die sie im Moment kaum sehen konnte, weil das einzige Licht im Raum vom Bildschirm des Monitors stammte. Sie wollte die Reporter, die sich draußen auf dem Rasen häuslich niedergelassen hatten, nicht einmal wissen lassen, in welchem Raum sie sich befand. Das war irrational, ganz klar, aber so lagen die Dinge nun mal.
    Die zugezogenen Vorhänge vor den Fenstern verdeckten die Fahrzeuge und die tiefen Reifenspuren, die sie durchs Gras gezogen hatten. Ebenso wie die Kaffeebecher aus Styropor, die über den Abhang zum Fluß hinunterkollerten. Wenn Judy nach draußen ging, um die Post zu holen, rief man ihr von allen Seiten Fragen zu. Gestern Abend waren Unmengen von Leuten dagewesen; heute hatten die Reihen sich gelichtet, vermutlich weil die Reporter nun andere Quellen für ihre Informationen

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