Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Moskito

Moskito

Titel: Moskito Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
Vom Netzwerk:
Seelenverwandtschaft, die kein Mann wirklich verstehen konnte.
    »Also gut«, sagte Tess. »Gib mir die Nummer. Ich rufe dich zurück.« Fünfzehn Minuten später war es soweit. »Die Nummer gehört einem gewissen M. Gordon in Hyattsville. Die Adresse lautet … Judy? Bist du noch dran?«
    »Ja«, sagte Judy dumpf.
    »Alles in Ordnung?«
    »Ja. Nein.«
    »Also, schreib dir die Adresse auf, weil ich jetzt weg muß. Aber wenn du dich ausweinen willst, ich bin abends daheim.«
    »Danke«, sagte Judy. Es war schwierig, das Wort durch die zusammengeschnürte Kehle hinauszupressen.
    Marcy Gordon. Roberts Exfrau. Und er würde für eine nicht näher definierte ›Weile‹ dort zu erreichen sein.
    Judy setzte sich langsam hin und starrte den Bildschirmschoner dieser Woche an: Dinosaurier, die wie irre herumhüpften. Es war wichtig, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen. Robert konnte durchaus gute Gründe haben, um bei Marcy zu sein.
    Ach ja? Und welche?
    Vertrauen war essentiell. Sie mußte Robert wenigstens die Chance geben, alles zu erklären.
    Und wie sollte sie das tun, wenn sie ihn nicht sah? Übers Telefon? Und wie sollte sie ihm erklären, woher sie wußte, wessen Apartment er bewohnte? Mit der Internet-Sache hatte sie schon einmal die Informationsgrenzen überschritten.
    Nein, sie mußte ihm vertrauen. Robert war nicht wie Ben. Robert war ein grundanständiger, ehrlicher Mann. Und treu.
    Judy vergrub das Gesicht in den Händen. Alle diese Nächte, in denen Ben nicht nach Hause gekommen war, alle diese anderen Frauen – die Forscherkolleginnen, die Laborantinnen, die ihn anhimmelten, die Hotelangestellten in den Konferenzhotels … Das Parfum an den Aufschlägen seiner Jacken. Die aufgelegten Hörer, wenn der Anrufer merkte, daß eine Frau abhob. Kreditkartenabrechnungen für Blumen, die sie nie erhalten hatte, für Schmuck, den sie nie sah … Sie konnte das alles mit Robert nicht noch einmal durchmachen. Sie konnte einfach nicht!
    Und sie würde es nicht.
    Sie lugte zwischen den Vorhängen hinaus. Die letzten Reporter waren abgezogen, auf der Suche nach einem vielversprechenderen Opfer.
     
    »Da kommt’s!« sagte Agent Chuck Romano, als das abhörsichere Telefon klingelte. »Ich wette um drei ganze Dollar!«
    »Keiner setzt dagegen«, murmelte der Agent an der Kaffeemaschine.
    Seit der ersten Zusammenkunft des Malaria-reading-Teams hatte sich vieles verändert. Die Medien hatten es verändert. Malaria reading hatte sich im Bewußtsein der Öffentlichkeit als von Terroristen verursachtes Übel fest etabliert, und so war die ganze Sache zu einem Terrorismusfall geworden. Zu viele Menschen waren gestorben – von einem Augenblick zum nächsten, unter allzu dramatischen Umständen. Daran mußte irgend jemand Schuld haben. Und das FBI hatte die Pflicht, diesen Jemand zu lokalisieren. Bisher war dies dem FBI nicht gelungen. Und daher hatte die Presse das Recht zu Überschriften wie ›MEHR ALS 100 TOTE – FBI HAT NULL!‹ oder ›IST FBI-CHEF BROYLIN EIN RASSIST?‹
    Und so hatte Dunbar ein ›geheimes‹ Kommandozentrum in einem Motel im Süden von Maryland eingerichtet, das weit weg war von der regulären FBI-Außenstelle in Leonardtown. Die beiden Einzelbetten hatte man an die Wände geschoben, und Telefone, Faxgerät, Computer und Kaffeemaschine – die vier unentbehrlichen mechanischen Grundlagen jeglicher Polizeiarbeit – nahmen Frisiertisch, Kommode und Tisch in Anspruch. Zusätzliche Stühle waren von irgendwoher aufgetaucht. Die Jalousien waren herabgezogen, und leere Coladosen aus dem Automaten draußen neben der Tür türmten sich bereits zu einer gefährlich hohen Pyramide auf dem Fensterbrett.
    Romano hielt den Hörer ans Ohr und sprach kaum, solange der Anruf währte. Die Agenten warteten.
    »Okay, was wir haben, ist dies: Eine Gruppierung, die sich ›Weiße Wähler‹ nennt, hat die Verantwortung übernommen. Robert?«
    »Ja. Davon gibt’s eine Ortsgruppe in Saint Mary’s County. Weiße Sektierer. Aber sie hat nur etwa fünfzehn Mitglieder, und die laufen bei uns als Quatschköpfe.« In dem Klassifikationssystem, das Cavanaugh sich von Felders ausgeliehen hatte, hieß das, daß die ›Weißen Wähler‹ quatschten und sich das Maul zerrissen über die Überlegenheit der weißen Rasse, aber nie irgendwelche Aktionen gesetzt hatten, um ihren Standpunkt zu unterstreichen – auch keine legalen, wie etwa Demonstrationen. »Nichts als heiße Luft.«
    »Na ja, die falschen Wortmeldungen kommen ja nicht

Weitere Kostenlose Bücher