Moskito
sich mit Repellent einrieb. Sie band gerade die Schnürsenkel ihrer festen Stiefel, als das Telefon klingelte. Krovetz. Nein, er würde ganz einfach auftauchen. Cavanaugh? Wenn er es wagte, sie noch einmal zu beschuldigen …
»Ist dort die Niggerschlampe vom Zentrum?«
Eine dumpfe Männerstimme. Melanie erstarrte.
»Ja, ich weiß, wo du bist! Seh dich jeden Tag rumrennen mit den anderen Wissenschaftlern. Lauter weiße Männer, das! Was bist du eigentlich für die? ’ne Art Freizeitgestaltung? Also nicht mehr lange, das sag ich dir. Hau ab aus unserem Staat, du Niggerfotze, sonst könntest du die nächste sein, die von ’nem wildgewordenen Moskito gestochen wird!« Falsches dröhnendes Lachen.
Schweigend legte sie auf.
Cavanaugh anrufen? Es Farlow erzählen? Nein. Wer auch immer diesen Anruf gemacht hatte, er war nicht verantwortlich für die gentechnische Herstellung einer Parasitenvariante. Eine Organisation, die dazu fähig war, bestand aus klugen Köpfen, und das hier war bloß eines von diesen bornierten Rassistenschweinen. Bloß eines aus dem ganzen Stall.
Sie merkte, daß sie die Arme um sich geschlungen hatte, wie um sich zu schützen. Ärgerlich beugte sie sich hinab, um die Stiefel fertigzubinden, und sah sich dann nach ihrer Kappe um. Sie zuckte dennoch zusammen, als das Klopfen an der Tür ertönte, und sie ließ die Kette vorgelegt, bis sie sah, daß es tatsächlich nur Joe Krovetz war.
»Mel? Sind Sie soweit? Der Wagen ist gepackt.«
»Ich bin fertig. Haben Sie an das Trockeneis gedacht?«
»Klar.« Er grinste sie an, so begierig darauf, endlich loszufahren, daß Melanie zurückgrinste. Nicht alle waren so wie dieser Anrufer.
Als sie über den Parkplatz gingen, musterte sie die Teenager, die an der Tankstelle herumlungerten, den Motelangestellten, der mit dem Schlauch die Gehwege sauberspritzte, den Gast, der soeben von einem Häuschen am Ende der Reihe wegfuhr, die Leute, die aus dem 7-Eleven kamen oder dort eintraten. Hast du mich angerufen? Du? Du? -
Warum haßt ihr uns bloß so?
Sie fuhren in südöstlicher Richtung auf den Fluß zu. Einen guten Kilometer vor der Brücke über den Potomac ließ Melanie Joe auf eine Seitenstraße abbiegen, und damit begaben sie sich in ein anderes Jahrzehnt.
Abseits der Hauptverkehrsstraßen, das hatte Melanie bereits herausgefunden, sah ein großer Teil von Maryland genauso aus wie diese Gegend. Schotterstraßen führten durch dichte Wälder aus Laubhölzern und Kiefern. Wo das Terrain sich hob, standen kleine versteckte Farmen mit ihren Mais-, Tabak- und Mohrrübenfeldern. In den meisten der verstreuten Farmen wohnten die Besitzer in kleinen Häusern, teilweise selbst in großen Wohnwagen, und in den Gärten sah man Blumenbeete oder Statuen der Mutter Gottes, alte Autoreifen oder Rollen feinen Maschendrahtes. Und ein handbeschriftetes Schild tauchte immer wieder auf: ACHTUNG! SCHARF ABGERICHTETE HUNDE!
Zwischen den isolierten Farmen lag eine Wildnis: steile Schluchten, umgefallene Bäume, das unaufhörliche Surren von Insekten. Ein Reh huschte über die Straße und verschwand im Wald.
»Okay, hier«, sagte Melanie. »Sie nehmen diese Seite und ich die da.«
»Wird gemacht.« Joe hielt den Wagen an und stieg aus. Auf der linken Seite der Straße war der Wald nicht so dicht wie anderswo; gelegentlich kamen Sonnenstrahlen bis zum Boden durch, wo sie auf umgestürzte Baumstämme fielen. In der Ferne überragte kaum sichtbar ein rostiges Scheunendach die Bäume. Auf der rechten Straßenseite fiel das Terrain steil ab zu einem matschigen Streifen, der ein morastiges, mit Unkraut bedecktes Gebiet umgab, in dem stehende Tümpel und die halbversunkenen Reste kleiner Bäume zu sehen waren. Sowohl rechts als auch links der Straße sollte es ausreichend geeignete Brutstätten für A. quadrimaculatus geben.
Joe sagte: »Ich bin immer noch nicht überzeugt, daß wir irgend was Neues finden werden, Mel.«
»Haben Sie eine bessere Idee?«
»Nee«, sagte Joe, ohne im geringsten beleidigt zu sein.
Das gefiel Melanie. Mit dem Jungen arbeitete es sich angenehm. Er war immer fröhlich, er war willens, ohne Scheuklappen zu denken – und auch nicht ein einziges Mal hatte er je erkennen lassen, daß der Umstand, daß sie eine Frau war, in sein Bewußtsein durchgedrungen wäre. Das machte alles viel leichter. Melanie hatte prinzipiell keine Beziehungen mit weißen Männern, und es war ermüdend, stets erklären zu müssen, warum.
Joe lud sich seine Lichtfallen
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