Motte Maroni - Horrorfahrt der Dämonenbahn
in die Pedale, und dann heulen Oma Finis Gespenster noch lauter als sonst.
Heute gibt Oma Fini eine neue Geschichte zum Besten. Die von einem Erdbeben letzte Nacht, das nur sie selbst bemerkt hat und sonst niemand. „Stellt euch das vor!“, ruft Oma Fini empört. „Stellt euch vor, die alte Andergast wollte mir nicht glauben, dass es im Geisterschloss gepumpert und gerumpelt hat wie beim Weltuntergang!“ „Hast du heut Morgen am Telefon nicht gesagt, du hättest Mäuserascheln gehört?“, fällt ihr Onkel Schurli mampfend ins Wort.
„Georg! Man spricht nicht mit vollem Mund!“, ermahnt ihn Oma Fini würdevoll und setzt dann fort: „Es war kein Mäuserascheln, es war ein Erdbeben! Jawohl! Bei der Morgeninspektion, da haben wir’s bemerkt, die alte Andergast und ich.“
„Du hast die arme Frau Mariandl gezwungen, in die Geisterbahn zu gehen?“, ruft Onkel Schurli. „Das ist aber total gemein von dir!“
„Georg! Man sagt nicht ‚total’!“, befindet Oma Fini.
„Und von Zwingen kann überhaupt keine Rede sein. Ich habe nur gesagt: ‚Andergast, gehen Sie in die Geisterbahn und sehen Sie nach!’ Jedenfalls, bei der Morgeninspektion war dann alles klar. Das reine Chaos, sag icheuch! Die Tarantula, die mechanische Riesenspinne, war voller Mauerputz. Irgendwo muss ein Kanaldeckel hochgegangen sein, jedenfalls hat es fürchterlich gestunken. Und der Dracula-Grabstein war umgekippt! Und darunter haben wir ein matschiges Loch im Boden gefunden. Mit einem Gegenstand drin.“
Oma Fini zieht ein graues, staubiges Etwas aus ihrer riesigen Tasche und hält es den anderen unter die Nase.
„Ein antikes Stück“, ruft Onkel Schurli.
„Nein, nur ein altes Klumpert“, berichtigt Oma Fini ungerührt.
Jedenfalls ein seltsames Ding, finden Motte, Vladi und KHM. Ein graues Täfelchen mit geritzten Symbolen darauf. Alte Schriftzeichen vielleicht? Vladi sieht Onkel Schurli fragend an, der nimmt das Täfelchen an sich und ruft aufgeregt: „Das ist eine lateinische Inschrift, nein, das ist nicht Latein, kein reines zumindest; eher eine Kombination mit einer anderen Sprache. Faszinierend!“
Notfall
Oma Fini ist weniger beeindruckt und schnappt sich lieber noch ein fetttriefendes Stück Kaiserfleisch. Genüsslich kauend beobachtet sie, wie der Rest der Familie das graue Täfelchen untersucht. Da fängt es in ihrem grell geblümten Schürzenkleid zu vibrieren an, und aus der rechten Tasche dröhnt der Operettenschlager „Im Prater blühn wieder die Bäume“.
„Telefon! Und das beim Essen!“, meldet Onkel Schurli tadelnd.
Oma Fini ignoriert ihn, wischt sich am Tischtuch die Finger sauber und nestelt das Handy aus der Tasche. Das ist gar nicht einfach, weil das Schürzenkleid ziemlich spannt und das Handy nicht so leicht freigibt.
„Maroni!“, bellt Oma Fini in ihr Mobiltelefon. Dann verdreht sie die Augen. Ihre Lippen formen halblaut denNamen „Andergast“. „Aha, ein Dienstgespräch!“, kichert Onkel Schurli. Der Blick von Oma Fini, der ihn daraufhin trifft, lässt ihn verstummen. „Andergast, ich bin beim Essen!“, schnauft sie. Dann nimmt ihr Gesicht einen besorgten, fast mütterlichen Ausdruck an. „Was ist mit dem Wirgel? Ist ihm was passiert?“ Sie spießt den letzten Bissen Kaiserfleisch mit ihrer Gabel auf. „Gut! Ich komme, oder besser noch, wir kommen! Wir sind in einer halben Stunde da, hängen Sie das ‚Komme gleich!’-Schild ans Kassenhäuschen! Und dem Wirgel geben Sie ein Glas Wasser!“ Sie legt auf und schiebt sich das letzte Stück Fleisch in den Mund. Dann blickt sie forsch in die Runde und befiehlt: „Georg, lösch das Feuer! Wir fahren in den Prater. Der Wirgel ist vom Rad gekippt, und jetzt steht die Geisterbahn still. Und wenn die Geisterbahn stillsteht, dann kommt kein Geld rein! Und wenn kein Geld reinkommt, dann ist es beim Hintern finster! Ihr müsst mir helfen, ich brauch einen Radfahrer und einen Wandelnden Tod. Ich kenne die zwei, wenn der Wirgel kränkelt, dann muss ihn die Andergast pflegen. Das wehleidige Mannsbild kann sich ja nicht einmal selber einen Tee kochen!“
Motte und Vladi sind einverstanden. Es ist noch früh am Nachmittag, und so wird ihnen wenigstens nicht langweilig werden. KHM kommt natürlich mit, in seinemprivaten Gurkenglas. Auch Onkel Schurli ist angetan von der Idee. Er ist nämlich neugierig auf das Loch im Geisterbahnboden. Das antike Stück, welches Oma Fini daraus hervorgezogen hat, das kommt ihm irgendwie bekannt vor. Und wenn dem
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