Mottentanz
hinausschlich. Ich weiß immer noch, wie sie aussah, als sie in einem weißen Sommerkleid aus dem Schlafzimmer kletterte und über den Rasen rannte. Ihr von der Sonne gebleichtes Haar wehte hinter ihr her. Ich stand auf, stellte mich ans Fenster und winkte ihr, aber sie drehte sich nicht zu mir um.
Sie kehrte irgendwann vor der Morgendämmerung zurück und weinte leise in ihr Kissen. Instinktiv wusste ich, dass ich so tun musste, als schliefe ich.
Kapitel 12
Es ist eine Stunde vergangen, wir sitzen im Auto und düsen nach Westen. Ich drehe mich zu Sean um. Ich kann immer noch nicht glauben, dass wir wirklich unterwegs sind.
»Bist du wirklich sicher?«, frage ich. »Ich meine, macht es dir wirklich nichts aus, zu fahren und so?«
Sean schüttelt den Kopf. »Ellie, ich bin mal mitten in der Nacht nach Kanada gefahren, um mir Pfannkuchen zu kaufen, weil mir der Sirup in unserem Diner nicht geschmeckt hat. Ich fahre unheimlich gern Auto. Das ist das realistischste Autorennen-Simulationsspiel, das es gibt! Außerdem«, er schaut mich an und grinst, »bist du mir danach was schuldig. « Ich werde rot und grinse zurück.
Wenn ich eines über die Welt gelernt habe, dann das: Alles, einfach alles kann sich jederzeit verändern, und die größten Veränderungen passieren oft viel schneller, als man denkt. Egal wie oft ich diese Lektion lerne, sie fühlt sich jedes Mal neu an. Vor noch nicht einmal drei Stunden stand ich fast weinend hinter dem Tresen im Mon Cœur, und jetzt sitze ich mit einem heißen Typen, den ich kaum kenne, in einem Auto und fahre nach Nebraska.
Irgendetwas zirpt hinter mir wie ein Chor Vögel. Sean greift
hinter sich nach seinem Handy, das ihm aus der Hosentasche gefallen ist. »Wie meinen? Ein Anruf für mich?« Er klappt sein Telefon auf und hält es an sein Ohr. Ich höre eine Männerstimme. »Hallo? Hallo? Hallo?« Sean sagt nichts, nimmt das Telefon vom Ohr und klappt es zu. »Falsch verbunden.«
»Woher weißt du das? Du hast doch gar nichts gesagt.«
»Das passiert mir ständig. Ich bin mir fast sicher, dass irgendein Mädchen immer meine Nummer aufschreibt, wenn sie von einem Typen angemacht wird, der zu viel Gel in den Haaren hat oder zu viele Pickel, den sie aber nicht verletzen will.«
Ich lächele. Aber bevor ich antworten kann, vibriert mein Telefon.
»Deine Nummer gibt sie ihnen wohl auch, was?«
Ich schaue auf das Display. »Es ist meine Freundin«, sage ich. »Diejenige, die denkt, ich solle aufgeben.«
»Dann geh dran und sag ihr, sie soll sich verpissen«, sagt Sean achselzuckend.
Ich lache, aber natürlich würde ich das Amanda niemals antun. Ich drücke auf Ignorieren . Um ehrlich zu sein, habe ich Angst, dass ihre Stimme den Zauber brechen wird, der all dies möglich gemacht hat. Amanda bringt mich immer auf den Boden der Tatsachen zurück, ob ich das nun will oder nicht. Das Telefon vibriert erneut. »Wieder Amanda«, sage ich. Ich wette, sie wird so lange anrufen, bis ich drangehe. Ich kann ihr nicht ewig ausweichen.
Ich klappe mein Handy auf.
»Haaaaaaalllooooooo«, sagt Amanda. Ich merke gleich, dass sie betrunken ist. Es ist erst Viertel nach sieben.
»Hi«, sage ich. Im Hintergrund höre ich laute Musik wummern.
»Elllliiiiiiiieeee? Sorry, Schätzchen, ich höre dich nicht, warte einen Moment«, und dann schreit sie jemandem im Hintergrund zu: »Kannst du mal leiser drehen, Adam… bitte? MACH DAS LEISE!!!! BIIIIITTTE!!!«, und dann ins Telefon: »Hey, Baby. Was machst du gerade?« Dann wendet sie sich einen Moment lang vom Telefon ab. »ICH REDE MIT ELLIE, MEINER BESTEN BESTEN FREUNDIN!!« Und dann wieder ins Telefon: »Adam will wissen, warum du nicht hier bist.«
»Wer ist Adam?« Ich höre ein lautes »Wuuu-huuu« im Hintergrund.
»Adam ist ein übles Arschloch «, lacht Amanda. »Eric ist nicht da, aber DAS IST MIR EGAL!!«
Dann höre ich ein Schlurfen, und eine Jungenstimme sagt: »Hi, Ellie«, und im Hintergrund höre ich Amanda rufen: »GIB MIR MEIN HANDY ZURÜCK!« Dann lacht sie hysterisch, als sei es ungeheuer witzig, dass er ihr das Telefon geklaut hat.
»Hallo«, sage ich.
»Wie geht’s, warum bist du nicht hier?«, fragt der Typ.
Und dann ein Handgemenge. »Sorry«, keucht Amanda. »So ein Arsch.« Sie lacht wieder. Und dann brüllt sie in den Hintergrund: »NATÜRLICH SIEHT SIE GUT AUS!« Und wieder zu mir: »Wie bist du von Mon Cœur nach Hause gekommen?«
»Wurde gefahren.«
»Von Brad?« Sie klingt verwirrt, als könne sie sich
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