Mottentanz
nicht vorstellen, dass jemand außer ihr mich nach Hause fahren will. »Brads Thomas?« Es nervt.
»Sean hat mich gefahren.« Sie wartet auf eine Erklärung. »Niemand, den du kennst.«
»Oh«, sagt sie. »Sorry, bleibst du mal kurz dran?« Ich höre Lachen im Hintergrund, dann einen Platsch. Wieder Handgemenge, dann brüllt Amanda: »LASS MICH RUNTER, DU MONSTER!!!« Sie lacht, dann ist sie wieder da. »Wo bist du jetzt?«
»In einem Auto.«
»Wo fährst du hin?«
»Nach Nebraska.« Ich blicke zu Sean. Unsere Blicke treffen sich, er grinst und wackelt mit den Augenbrauen.
Die Musik im Hintergrund wird plötzlich lauter.
»WAS HAST DU GESAGT?«
»ICH SAGTE, ICH FAHRE NACH NEBRASKA!«, brülle ich.
»JUNGS, MACHT LEISER, ICH TELEFONIERE«, schreit Amanda. Der Lärm im Hintergrund wird leiser. »Hallo? Was hast du gesagt, Ellie?«
»Ich fahre nach Nebraska«, wiederhole ich.
»Ellie, wovon sprichst du?« Amanda klingt genervt. »Nebraska ist doch kein echter Ort.«
»Ich denke doch«, sage ich. »Ich hab’s mal auf einer Landkarte gesehen.«
»Aber kein Ort, an den man fährt«, sagt Amanda.
»Ich fahre hin«, sage ich. »Und zwar jetzt.«
»Okay, von mir aus«, sagt Amanda. »Du bist auf dem Weg nach Nebraska, na klar. Von mir aus, Ellie. Ich dachte, du hättest dich inzwischen wieder beruhigt, aber da habe ich mich wohl getäuscht.«
»Ich mache keine Witze«, sage ich knapp.
»Du meinst das ernst«, begreift Amanda. Sie klingt plötzlich sehr ernst, auf betrunkene Weise. »Warum?«
»Einfach so.«
»Mit wem?«
»Sean.«
»Welcher Sean?«
Ich schaue zu Sean. »Sean, was ist dein Nachname?«
»Du fährst mit einem Typen nach Nebraska, dessen Nachnamen du nicht kennst?«
»Lerner«, sagt Sean.
»Sean Lerner«, sage ich.
»Wo geht er zur Schule?«
»Meine Freundin Amanda will wissen, auf welche Schule du gehst.«
»Beacon Prep«, sagt Sean. »Internat in Lake Forest für reiche Jugendliche.«
Ich drehe mich zu Sean um und ziehe eine Augenbraue hoch.
»Beacon Prep«, sage ich ins Telefon. »Internat in Lake Forest für reiche Jugendliche.«
»Kenne ich«, sagt Amanda. »Der Neffe von Moms Freundin Helen geht da hin. Woher kennst du ihn?«
»Sean, woher kenne ich dich?«
»Aus der Zukunft«, sagt Sean.
»Wie bitte?«, fragt sie. »Ich habe dich nicht gehört.«
»Ich habe ihn im Mothership kennengelernt«, sage ich ins Telefon.
»Du hast da einen Typen kennengelernt? Das hast du mir
nicht gesagt.« Ich glaube ein bisschen Eifersucht in ihrer Stimme zu hören, aber vielleicht bilde ich es mir auch nur ein.
»Hab ich vergessen«, sage ich. Und dann schweigen wir uns eine Zeit lang an.
»Na gut«, sagt Amanda. »Okaaay… dann viel Spaß.«
Ich höre, dass sie sauer ist. Damit sind wir schon zu zweit.
»Okay«, sage ich.
»Ich hoffe, du weißt, was du tust, Ellie«, sagt Amanda. »Tschüs.«
»Tschüs«, sage ich. Ich lehne mich in meinem Sitz zurück und sehe die Bäume vorbeihuschen.
»Na, das klang ja lustig«, sagt Sean.
»Sie hat das Konzept Nebraska nicht verstanden«, sage ich.
Die Sonne sinkt und wir schweigen. Ich spüre, dass Sean mich von der Seite her ansieht. Ich schaue zu ihm und er richtet den Blick schnell wieder auf die Straße. Dann dreht er sich zu mir um und grinst ein irres Grinsen. Seine Augen glitzern. Er kurbelt das Fenster herunter und streckt seinen Kopf nach draußen. »FUCK YEAH NEBRASKA!!« Er sieht mich an. »Jetzt du«, grinst er.
Ich kurbele mein Fenster herunter, der Wind fegt herein und peitscht meine Haare zurück.
»HURRA, NEBRASKA!«
»AUF GEHT’S, NEBRASKA!«
»JUHUUU, NEBRASKA!«
»VORSICHT, WIR KOMMEN, NEBRASKA!«
Und die Stimmung im Auto ist auf einmal bestens.
Kapitel 13
Das Rauschen der Straße unter uns wird der Soundtrack zu einem sehr langen Film über Autos auf einem langen, geraden Highway unter einem endlosen Himmel. Ich verfalle in Trance, während ich ihn mir ansehe.
Außer den Geräuschen der Straße ist es im Auto still, keine Musik, keine Gespräche, aber es ist die Art kameradschaftliche Stille, die nur zwischen zwei Menschen herrscht, die wissen, dass sie sich eine Menge zu sagen haben. Das ist lustig, weil Sean und ich uns erst seit knapp zwei Stunden kennen.
Die Zeit vergeht auf merkwürdige Weise im Auto und lässt sich hauptsächlich an der sich verändernden Farbe des Himmels ablesen, der erst blau, dann dunkelblau, dann schwarz wird. Vor uns nur winzige Autoscheinwerfer, links und rechts von uns flaches,
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