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Mottentanz

Mottentanz

Titel: Mottentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Weingarten
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schwarzen Ordnern blättern. Zu unserer Linken steht eine riesige Vitrine voller Piercingschmuck. Dicke Barbells aus Stahl, Ohrendehner aus Elfenbein, zarte Goldringe, die mit Rubinen verziert sind. Vor der hinteren Wand hängt ein dunkelgrauer Vorhang, durch den gerade eine Frau kommt. Sie hat fransiges schwarzes Haar und einen schweren Unterbiss wie ein Hai. Um ihren Hals ist eine dicke grüne Schlange tätowiert, deren Kopf auf ihrem Schlüsselbein ruht. Im Maul trägt sie einen glänzenden roten Apfel.
    Hai schaut auf die Tafel neben der Kasse.
    »Sandrine Miller«, ruft sie. Ihre Stimme ist heiser, als würde sie oft schreien.
    Eine winzige Blondine steht vom Sofa auf, schaut zu ihrer winzigen blonden Freundin und macht ein übertrieben nervöses Gesicht. Dann verschwindet sie hinter dem Vorhang. Sean und ich gehen zur Kasse. Aus der Nähe sehe ich, dass Hais T-Shirt mit winzigen weißen Schleifen bedruckt ist, was
überhaupt nicht zu ihr passt. Als hätte die Originalbesitzerin es ihr ganz schnell überlassen, nachdem Hai ihr tüchtig Angst eingejagt hat.
    »Ja?« Sie starrt mich an, eine Augenbraue hochgezogen.
    »Hi«, sage ich. Über ihre Schulter sehe ich ins Hinterzimmer. Sandrine Miller lehnt sich in einer Art Zahnarztstuhl zurück, ihr T-Shirt hat sie hochgezogen. Ein Typ mit blondem Kurzhaarschnitt bereitet alles vor, um ihr die Brustwarze zu piercen. Gleich daneben überträgt ein Mädchen mit blondierten Dreadlocks, die sie auf dem Kopf zusammengeknotet hat, ein Design auf den gigantischen Oberarm eines Bikers. Der Riesentyp hat die Augen fest geschlossen und beißt sich auf die Unterlippe, als müsse er gleich weinen. Hai fängt meinen Blick auf und schaut mich böse an.
    Ein Typ steckt seinen Kopf durch den Vorhang.
    »Eden?« Er fährt sich durch das dichte, dunkle Haar. »Sind die Vierzehner-Nadeln mit der letzten Lieferung gekommen? « Er klingt verängstigt.
    »Sollten da sein, wenn Cedar die Bestellung aufgegeben hat.«
    »Ich suche weiter.«
    »Wenn sie die Dinger vergessen hat …« Hai alias Eden schüttelt den Kopf. »Dann hat sie endgültig verschissen.«
    »Wir hatten wirklich viel zu tun, während du weg warst«, sagt der Typ. Er schaut Hai/Eden an, die eine Augenbraue hochzieht. Ich sehe ihn geradezu schrumpfen. »Ich hätte sie daran erinnern sollen.«
    »Ron, nur weil du sie einmal gevögelt hast, musst du nicht den Sündenbock für sie spielen. Sei nicht so ein Weichei.
Wenn du mit deinem Kunden fertig bist, übernimmst du hier. Ich muss zu Utopia und die Sachen holen.«
    Mit gesenktem Kopf verschwindet er hinter dem Vorhang. Sie schaut wieder uns an.
    »Hi.« Ich lächele, aber sie lächelt nicht zurück.
    »Bist du achtzehn?«
    »Ich bin nicht wegen eines Tattoos hier«, sage ich.
    »Oh.« Sie verschränkt die Arme, als wolle sie fragen, was ich dann hier verloren habe.
    »Ich suche nach meiner Schwester«, sage ich. »Sie heißt Nina Wrigley, und ich habe mich gefragt, ob sie mal hier war? Das müsste schon zwei Jahre her sein, aber vielleicht erkennen Sie sie ja auf dem Foto hier.«
    Hai/Edens Gesichtsausdruck bleibt unverändert, als habe sie mich nicht gehört. Sie schaut Sean an, dann mich.
    »Kann ich Ihnen das Foto zeigen?«, frage ich. »Vielleicht erinnern Sie sich ja an sie.«
    Ein Muskel in ihrem Kiefer zuckt, aber sie sagt immer noch nichts. Ich nehme Ninas Foto aus der Tasche und halte es Eden vors Gesicht. »Das ist sie.«
    Ich beobachte Ihr Gesicht. Ihr Mund ist von tiefen Falten umgeben, die sich zwischen ihren Augenbrauen wiederholen. Als sei sie so sicher, dass irgendetwas sie wütend machen wird, dass sie schon im Voraus das dazu passende wütende Gesicht macht. Aber als Edens Augen sich auf Ninas Foto richten, wird ihr Gesicht eine Sekunde lang ganz weich. Dann schüttelt sie schnell den Kopf. »Kenne ich nicht«, sagt sie. Sie schüttelt noch einmal den Kopf. »Sorry«, sagt sie achselzuckend, dreht sich um und will gehen. Sie bleibt noch
einmal stehen und dreht sich zu uns um. »Bitte steht nicht an der Kasse herum, den Platz brauchen wir für die Kunden.« Dann verschwindet sie hinter dem Vorhang.
    »Fuck«, flüstert Sean.
    Er läuft kopfschüttelnd auf den Ausgang zu. Ich stehe wie zu Eis erstarrt da.
    Als ich zu Eden schaue, beobachtet sie uns. Sean kommt zurück und packt mich am Arm. »Lass uns gehen«, flüstert er. Irgendwas stimmt hier nicht. Ganz und gar nicht.
    Draußen im hellen Sonnenlicht drehe ich mich zu Sean um.
    »Ich glaube, sie lügt«,

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