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Mottentanz

Mottentanz

Titel: Mottentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Weingarten
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habe. Aber wo sie die letzten zwei Jahre gewesen sei, frage ich. Sie schüttelt nur den Kopf, als sei ich verrückt. Na hier, natürlich! Und ich bin unglaublich verwirrt. Nina lächelt achselzuckend. Sie fragt mich, ob ich Lust habe, ihren Schrank nach Outfits zu durchsuchen, die zu ihrer neuen Frisur passen
könnten. Ich sage okay, und sie öffnet eine Tür in ihrem Schlafzimmer, die mir noch nie zuvor aufgefallen ist. Dahinter liegt eine riesige Lagerhalle, die bis zum Rand mit schönen Dingen gefüllt ist. Direkt neben dem Türrahmen hängt ein riesiges Bündel goldener Luftballons an sehr langen Schnüren. Sie sagt mir, dass sie die verkauft und sich so das Geld verdient hat, um sich die ganzen Klamotten zu kaufen. Normalerweise kostet ein Ballon 257 Dollar, aber ich kann mir so viele nehmen, wie ich möchte, gratis, denn ich bin ja ihre Schwester.
    Sie läuft in der riesigen Halle herum und sucht die Ballons für mich zusammen. Als sie sechs beisammen hat, heben die Ballons sie vom Boden, und mit jedem neuen Ballon schwebt sie ein bisschen höher. Ihr scheint das nicht aufzufallen, oder es ist ihr egal. Ich schaue an die Decke und sehe, dass dort nur Himmel ist. Sie sammelt immer noch ihre Ballons und schwebt immer weiter in die Höhe. Und ich merke, dass hier irgendetwas ganz, ganz falsch läuft. Ich rufe: »Nina, stopp« und »Lass los, Nina!«, aber sie hört mir nicht zu. »Nina, stopp! Nina, stopp!«, brülle ich immer wieder. Und so endet der Traum normalerweise immer. Ich schreie, sie steigt höher und höher, bis ich sie nicht mehr sehen kann. Aber diesmal ist es anders. Diesmal schaut sie, als sie an der Grenze zwischen Raum und Himmel angekommen ist, nach unten und lässt dann in letzter Sekunde die Ballons los und fällt. Schneller und schneller saust sie auf den Boden zu. Und ich keuche auf, weil ich nicht weiß, ob ich es schaffe, sie aufzufangen.

    Ich wache kurz nach halb zwei Uhr nachmittags auf und starre auf Seans schwach beleuchteten nackten Rücken. Er steht am Waschbecken in der Ecke, noch nass von der Dusche, ein dünnes Motelhandtuch um die Hüften gewickelt. Er ist so schön, dass ich es kaum aushalte. Ich sehe sein Spiegelbild – die glatte Brust, die dünne Haarlinie, die seinen Bauch hinunterläuft. Ich weiß, dass ich wegschauen sollte, aber ich kann nicht. Er legt sich ein kleineres Handtuch über den Kopf und beginnt, sich die Haare trocken zu rubbeln, seine Schulter- und Rückenmuskeln spannen sich an, als er das Handtuch hin- und herbewegt. Und im Spiegel sehe ich, wie sich sein Bizeps anspannt und entspannt, anspannt und entspannt. Auf der Innenseite seines Oberarms sehe ich weiße gezackte Linien. Narben. Vielleicht von einem Unfall? Schwer zu sagen. Ich würde sie am liebsten berühren.
    Als er sein Handtuch abnimmt, zwinge ich mich dazu, die Augen zusammenzukneifen, und stelle mir vor, was ich nicht sehen kann. Ich atme ein und aus und versuche, bewegungslos dazuliegen.
    »Ellie, wach aaaaauuuf.«
    »Mmh?« Ich mache ein Geräusch, das hoffentlich so klingt, als wäre ich bis vor einer Sekunde noch im Tiefschlaf gewesen und hätte ihm ganz sicher nicht beim Anziehen zugesehen. Ich öffne die Augen. Sean steht angezogen, aber barfuß vor mir. Sein Haar fällt ihm ins Gesicht, seine Wangen sind vom heißen Wasserdampf gerötet. Das feuchte Handtuch hat er um den Hals gelegt. Er starrt mein Gesicht an, und als sich unsere Blicke treffen, lächelt er und ich spüre, wie mein Herz sich beschleunigt.

    »Du siehst süß aus, wenn du schläfst.« Und dann schaltet er das Licht an. Ich setze mich im Bett auf und stelle die Füße auf den harten, kratzigen Teppich.
    Genau in diesem Augenblick vibriert mein Telefon auf dem Nachttisch. Ohne nachzudenken, klappe ich es auf.
    »Mein Gott, was ist denn los? Ich habe dich ungefähr hundertmal angerufen!« Es ist Amanda.
    »Hä?« Ich bin zu verschlafen, um dafür gleich richtig gewappnet zu sein.
    »Dieser Typ, Sean? Bist du immer noch bei ihm?«
    »Hi, Amanda«, sage ich.
    »Ich habe versucht, dich zu erreichen«, sagt sie. »Warum hast du mich nicht zurückgerufen?«
    Sean setzt sich ans Fußende des Bettes.
    »Ich war beschäftigt«, sage ich. Ich schaue Sean an, der sich vorbeugt und seine Socken anzieht.
    »Ellie. Helen war heute Morgen hier, um Mom zum Pilates abzuholen, und sie hat von uns aus ihren Neffen Eddie angerufen. Du weißt schon, der auch in die Beacon Prep geht. Eddie sagte, ein Kumpel von ihm habe sich ein Zimmer mit

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