Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mottentanz

Mottentanz

Titel: Mottentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Weingarten
Vom Netzwerk:
»Ich musste es mir wieder normal färben, weil ich einen Job bekommen habe.«
    »Ach ja?«, fragt Ron. »Was machst du?«
    »Ich arbeite in einer Bar«, sage ich.
    »Wo?«
    »Äh… in New York.« Ich rede mich um Kopf und Kragen. Ich weiß nicht, warum ich das gesagt habe. Müssen Barkeeper in New York eine normale Haarfarbe haben?
    »Cool«, sagt Ron. »Mein Kumpel besitzt eine Rock’n’Roll-Bar auf der Lower East Side. Heißt Lipsynch.«
    »Na klar«, sage ich. »Lipsynch.«
    Ich drehe mich um und schaue Sean an, der einen Meter hinter mir steht. Er zwinkert und die Nina in mir lässt mich zurückzwinkern.
    Ron führt mich hinter den Vorhang. »Nina, das ist Petra.« Er deutet auf ein Mädchen mit langen, schwarzen Haaren, die es mit einem roten Band aus dem Gesicht hält.

    »Petra, Nina.« Petra ist so dünn, wie es Menschen sind, die hauptsächlich von Kaffee und Zigaretten leben. Sie trägt ein hauchdünnes weißes Tanktop und schwere Armreifen an den Handgelenken. Beide Arme sind mit Tattoos bedeckt. Wir lächeln uns an.
    »Petra ist die Beste«, sagt Ron. »Wir haben sie vor einem Monat dem größten Tattoo-Studio von Nashville ausgespannt. Sie wird dir dabei helfen, dir etwas auszusuchen.« Er schaut zu Petra hoch. »Nina ist eine Jungfrau.« Er wendet sich mir zu und lächelt mich an. Und dann geht er wieder nach vorne.
    »Okay«, sagt Petra grinsend. »Das erste, was?«
    »Jep«, nicke ich. »Ich hatte einfach Lust dazu.«
    »Das verstehe ich vollkommen!« Ihr Grinsen wird breiter. »Vor fünf Jahren sah ich noch genauso aus wie du und eines Tages war mir das zu langweilig. Ich hatte gerade mit einem Typen Schluss gemacht und merkte, dass ich die ganze Zeit entweder in jemanden verliebt bin oder jemandem hinterhertrauere, also habe ich mir das hier stechen lassen.« Sie tippt auf den Umriss eines roten Herzens auf ihrem Bizeps. In der Mitte ist eine gestrichelte Linie, unter der in winzigen Buchstaben steht: Name bitte hier eintragen . »Aber sei vorsichtig, die Dinger machen süchtig.« Sie hält ihre schwarz-rot gemusterten Arme hoch.
    Und obwohl ich, um ehrlich zu sein, nicht ganz sicher bin, was ich von alldem hier halten soll, sage ich nur: »Auf jeden«, weil das Nina wahrscheinlich gesagt hätte.
    Petra nickt und lächelt mich an, als seien wir Kumpel. Als wären wir auf einer Wellenlänge.

    »Ich hole die Alben«, sagt Petra. »Vielleicht inspiriert dich ja was.« Petra geht und lässt mich in dem ledernen Tätowierstuhl sitzen. Neben mir tätowiert die blonde Rasta-Frau immer noch den Harley-Davidson-Mann, der inzwischen jedes Mal laut wimmert, wenn die Nadel Tinte unter seine Haut spritzt. Ich schaue mich im Zimmer um – die Regale sind voller Ausrüstung, Latexhandschuhe, Einmal-Nadeln und Antibiotika-Salbe. Dann stehe ich auf und schaue mir eines der gerahmten Fotos an der Wand genauer an. Es zeigt ein paar Jungs mit Jeans und schwarzen T-Shirts. Der mittlere trägt einen Cowboyhut und neben ihm steht Petra mit stolzer Miene. Plötzlich steht Petra hinter mir. »Das sind Saddle up Susie , die sind in Nashville sehr bekannt«, erklärt sie. »Ich weiß, hier kennt sie keine Sau, aber sie waren vor zwei Wochen in der Stadt, und ich stehe total auf die Band.«
    »Cool«, sage ich.
    Petra reicht mir einen dicken schwarzen Ordner. »Schau dir den an, ich hole noch die anderen.« Sie verschwindet in einem schmalen Treppenaufgang. Ich wandere langsam weiter. An den Wänden hängen überall gerahmte Fotos von Bijoux’ Kunden mit ihren Tätowierern. Stolz zeigen sie ihre neu verzierten Körperpartien vor. Ich erkenne ein paar der abgebildeten Leute. Der Sänger einer Indie-Band, von der Eric immer schwärmt, weil sie so cool ist. Ein Model mit riesigen Augen, die Amandas Meinung nach aussieht wie eine Eidechse. Eine Performancekünstlerin, über die ich mal einen Artikel gelesen habe, als Amanda und ich im Buchladen Zeitschriften durchblätterten. Ich halte vor einem Foto in der Ecke und erstarre.

    Auf dem Foto ist meine Schwester zu sehen und sie starrt mich direkt an.
    Ich lege mir die Hand auf den Mund. Ihre Haare sind von einem verwaschenen Blau, wie Jeans, die zu oft in der Wäsche gewesen sind. Sie steht bei drei Typen Anfang zwanzig. Zwei haben rote Haare und rote Kinnbärte, und sie deuten auf den dritten, dunkelhaarigen Typen, dessen Hose weit nach unten gezogen ist, damit man das riesige Tattoo unter seinem Nabel sehen kann. Das Bild zeigt die anderen beiden Typen, von Noten umgeben.

Weitere Kostenlose Bücher