Mottentanz
Ian«, sagt Milchbart.
»Von wegen! Ich wiederhole meine Frage, wer zum Teufel bist du?«
»Ich bin Ellie Wrigley«, sage ich. »Ninas Schwester.«
Ian kneift die Augen zusammen. Ich halte den Pass hoch.
Kätzchenpyjama nimmt ihn und hält ihn sich vors Gesicht. Er schaut auf das Bild, dann auf mich, dann auf das Bild. Als traue er seinen Augen nicht. »Das ist sie wirklich.« Er nickt wieder. »Peter, den willst du sicher sehen.« Er hält den Pass dem Typen auf der Couch hin. Peter – der seinen Arm um Nina gelegt hatte.
»Na, so was«, sagt Peter. Er stellt seine Schüssel auf den Boden und hält den Pass mit beiden Händen. »Jesses.« Er schüttelt den Kopf, sein Mund öffnet sich leicht. Er war in sie verliebt, das sehe ich an seinem Gesichtsausdruck.
»Alles klar?«, fragt Milchbart. Er wischt sich den weißen Strich ab.
»Wie geht es ihr?« Peter schaut mich an.
»Ich weiß es nicht«, sage ich. »Ich habe sie seit zwei Jahren nicht gesehen, deshalb bin ich hier.«
Peter schüttelt den Kopf.
»Ihr kanntet sie also«, sage ich. »Und zwar offenbar ziemlich gut.«
»Nicht so gut, wie er es sich gewünscht hätte«, sagt Ian.
»Ich kannte sie«, sagt Peter. »Zumindest dachte ich das.« Er schaut zu mir hoch. Sein Gesicht ist angespannt, als leide er, wolle es aber nicht zeigen. »Du bist ihre Schwester und weißt nicht, wo sie ist?«
»Sie ist vor zwei Jahren verschwunden«, sage ich.
»Wir dachten uns schon, dass mit dem Mädchen was nicht stimmt«, sagt Ian. »Warum ist sie abgehauen?«
»Keine Ahnung«, sage ich. »Ich bin auf der Suche nach ihr. Und bei Bijoux Ink habe ich ein Foto von euch mit ihr gesehen. Das habe ich geklaut. Und dann habe ich eine Zeichnung von ihr gesehen und gehört, dass die euer neues Albumcover wird.«
»Und wer hat dir das eröffnet?«, fragt Ian. Aber er wirkt nicht ärgerlich, sondern amüsiert.
»Ein Riesenfan von euch«, sage ich. »Genauer gesagt, zwei.«
Ian schüttelt lächelnd den Kopf. »Ah, die verrückten Rotschöpfe. Stimmt’s?«
Ich nicke.
»Das überrascht mich nicht, obwohl ich mir dich nicht wirklich als Freundin von denen vorstellen kann. Obwohl… sagtest du, du hättest ein Foto bei Bijoux geklaut?«
»Äh …« Ich blicke zu Boden. Vielleicht hätte ich das nicht erwähnen sollen, aber nun ist es zu spät. »Die Frau, die dort arbeitet, sagte, sie kenne Nina nicht, aber ich konnte sehen, dass sie log. Dann ging ich ins Hinterzimmer, und als ich das Bild von euch mit meiner Schwester sah … hab ich es einfach
genommen, es unter mein Hemd gesteckt und rausgeschmuggelt. «
Ian schaut mich und dann seine Bandkollegen an. Alle fangen an zu lachen. »Nicht schlecht«, sagt Ian. »Ich mag Eden sehr, aber manchmal muss man sie ein bisschen zurechtstutzen. Ah, Bijoux …« Ian lächelt. »Unser Lieblings-Tattoo-Laden in unserer Heimatstadt, genauer gesagt, der zweiten Heimat nach Galway in Irland. Bijoux ist der Ort meiner größten Schande.« Er steht auf. »Ich habe mit Peter und Marc hier gewettet, dass ich acht zusammengeknüllte Servietten in den Papierkorb werfen kann, ohne danebenzutreffen. Ich war mir so sicher, dass ich es schaffe.« Er zieht seine Pyjamahose ein bisschen runter. Auf seinem Bauch ist ein Bild von den anderen zwei Typen, in Schwarz gestochen. »Tja, ich habe mich getäuscht.«
»Wenn jetzt eine junge Dame sich nach da unten verirrt«, grinst Milchbart alias Marc, »starrt sie Peter und mich an!«
»Bisher hat sich keine beschwert«, sagt Ian.
»Wieso auch?« Marc hebt seine Schüssel an die Lippen und trinkt den Rest Milch aus. »Wir sehen auch verdammt gut aus!«
Ian zieht seine Hose wieder hoch. »Hätte ich gewonnen, hätten sie sich beide mein Gesicht auf den Arsch tätowieren lassen müssen.«
»Du solltest dich glücklich schätzen, dass du das hast«, sagt Peter und sieht mich an. »Deine Schwester war genial. Eine wahre Künstlerin.«
»Nina war nur ein paar Wochen lang in Denver«, sagt Marc. »Aber der arme Peter hat sich sofort in deine Schwester
verliebt. Hat ihr einen Song geschrieben und so, sich aber nie getraut, es ihr zu sagen.«
»Er ist schüchtern«, sagt Ian.
»Wir waren damals noch jung, und er hatte noch nicht kapiert, dass man als berühmter Rockstar alle Mädchen kriegt, die man haben will«, sagt Marc.
»Das reicht, Jungs«, sagt Peter und schüttelt den Kopf. »Sie hatte kein Interesse an mir, okay?« Er schaut in seinen Schoß. Irgendwie verrückt, dass dieser Typ vor ein paar
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