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Mottentanz

Mottentanz

Titel: Mottentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Weingarten
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Ich schaue ihn an. Natürlich. Ich habe ihren Pass. Ich nehme ihn raus und reiche ihn dem stark behaarten Typen, der auf einem winzigen Hocker kauert. Er schaut nur flüchtig darauf, stempelt dann ein winziges Monstergesicht auf mein Handgelenk und nickt mich nach drinnen.
     
    Der Spuck-Palazzo ist ein riesiger Raum mit zerkratztem Holzfußboden und sehr hohen, fabrikmäßig wirkenden Decken. Hinten ist eine Bühne, links eine Bar, vor der sich zig Menschen drängen. Über der Bar ist ein riesiger, gehörnter Tierschädel aufgehängt, wie man ihn gelegentlich an Trucks sieht. Es riecht nach einer Mischung aus Bier und Holzfeuer. Ich schaue zu Sean. Er hat die Hände in die Hosentaschen geschoben und schaut sich um. Vielleicht sucht er das Mädchen mit den Monsterhänden. Ich zwinge mich, wegzusehen und erinnere mich daran, warum wir hier sind.
    Die Vorband spielt gerade. Zwei Schlagzeuger und ein Mädchen in Kampfstiefeln und einer Krachledernen, die singt:
    Nein nein nein! No no no! Ich schieß dich mit der Armbrust ab! Irgendwann hört das Lederhosen-Mädchen endlich auf zu
singen und ein Typ in einem grellroten Anzug kommt auf die Bühne und greift zum Mikro.
    »Das waren Lady Bratwurst aus Germantown, Maryland. Applaus für Lady Bratwurst!!« Verhaltenes Klatschen. »Und jetzt ist es dem Palazzo eine verdammt große Freude, eine unserer Lieblingsbands auf die Bühne zu bitten! Wir lieben sie. Ihr liebt sie. Eure Mutter hat sie gestern Nacht geliebt! Klatscht in eure grauen Gummi-Monsterhände, denn hier sind: Monster Hands!« Die Menge dreht durch, jubelt, schreit, knurrt wie Monster. Zwei Typen rennen auf die Bühne, ein Dritter folgt ihnen Rad schlagend. Einen Augenblick später beginnt die Musik und der Jubel wird noch lauter. Mir wird ein bisschen leichter ums Herz.
    Und dann spüre ich etwas Kaltes und Nasses an meinem Bein.
    »Oh Scheiße! Sorry!« Ich drehe mich nach rechts, wo ein riesiger Typ – anderthalbmal so groß wie ein normaler Mensch – steht. Er hat blonde Locken und Monsterhände an. Mit entschuldigendem Grinsen sagt er: »Die Schwerkraft muss hier stärker sein als sonst.« Ich schaue nach unten. Ein leeres Bierglas liegt auf der Seite, der Inhalt hat um meine Flip-Flops eine Pfütze gebildet.
    »Schon in Ordnung«, rufe ich.
    »Niemand mag Bierfüße! Lass mich dir wenigstens ein Handtuch besorgen!« Der Typ nimmt mich an der Hand und zerrt mich zur Bar. Ich schaue mich nach Sean um, aber der Platz, an dem er gerade noch gestanden hat, ist leer.
    »Hey, Eddie! Ich Idiot hab mein Bier über dieses arme Mädel geleert. Lass mal ein paar Servietten rüberwachsen!«

    Der Barkeeper grinst, während er aus zwei Flaschen gleichzeitig eingießt. »Ein Mädchen bekleckern, damit du sie abputzen darfst? Uralter Trick!« Und zu mir: »Nimm dich vor Danny hier in Acht.«
    Der Barkeeper gibt Danny einen Stapel Servietten, die er sofort an mich weiterreicht. »Ich werde dich nicht abtrocknen, denn ich möchte, dass du mich als Gentleman betrachtest. «
    Ich beuge mich vor und trockne mich ab. Als ich wieder hochkomme, steht Danny immer noch lächelnd da.
    »Ich schwöre dir, ich habe dich nicht absichtlich nass gemacht, um mit dir ins Gespräch zu kommen«, beteuert er. »Aber wenn ich dich vorher gesehen hätte, wäre ich wohl auf die Idee gekommen.«
    »Danke?«, sage ich. Danny grinst breit, eher lustig als verführerisch. Ich recke den Hals und halte wieder nach Sean Ausschau. Wo ist er?
    »Sollen wir tanzen?«, fragt Danny. Er streckt die Hand aus. Ich schaue mich weiter um. Kein Sean. Ich bin enttäuscht. Aber dann erinnere ich mich wieder einmal daran, dass ich nicht wegen Sean, sondern wegen Nina hier bin. Er ist nicht mein Freund, nur ein Freund, und wir waren betrunken, und letzte Nacht bedeutet nichts. Wenn er also abhauen und mit Was-weiß-ich-wem Was-weiß-ich-was machen will, dann ist das seine Sache und geht mich nichts an… Es wäre schön, wenn ich mir glauben würde.
     
    In der nächsten Stunde tanzen Danny und ich wie die Irren. Den Jive, den Bus Stop, Discofox, den Moonwalk und ein
paar Tänze, die wir erfinden: die Stoppuhr, den Zähneputzer, den Haarebürster, den Sandwichesser. Beim Tanzen schwitze ich mir den Kater und die Traurigkeit aus dem Leib. Wenn ich an Sean denke, an gestern Nacht und die miese Stimmung heute, tanze ich noch heftiger, noch alberner. Und als Monster Hands die letzten Akkorde ihrer Zugabe »Cupcake Battle Dome« spielen, geht es mir tatsächlich wieder

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