Mount Dragon - Labor des Todes
GEF?« De Vaca sah ihn verwundert an.
»Es ist der Filtrierungsprozeß, den Burt in Manchester erfunden hat«, fuhr Carson fort. »Bisher haben wir immer angenommen, daß er beim Filtern des X-FLU-Virus einwandfrei funktioniert. Aber was wäre eigentlich, wenn er das nicht täte?« De Vacas Gesicht nahm einen mitleidigen Ausdruck an. »Das ist doch lächerlich. Wir haben XFLU wieder und wieder daraufhin untersucht, ob der Stamm, der aus dem Filter kommt, auch wirklich absolut rein ist.«
»Rein mag er ja sein, aber ist es auch derselbe Stamm, den wir hineingegeben haben?«
»Wieso sollte ein Filterprozeß den Stamm verändern? Das ergibt doch keinen Sinn.«
»Denken Sie doch einmal daran, wie GEF arbeitet«, gab Carson zurück. »Man erzeugt ein elektrisches Feld, das die schweren Proteinmoleküle durch einen Gelfilter zieht. Dieses Feld wird so eingestellt, daß es nur Moleküle beeinflußt, die ein bestimmtes Molekulargewicht haben. Die anderen Moleküle bleiben im Gel zurück, und nur dasjenige, das man haben will, kommt am anderen Ende heraus.«
»Und?«
»Was wäre, wenn das schwache elektrische Feld oder das Gel winzige Veränderungen der Proteinstruktur bewirken würden? Das Molekulargewicht wäre zwar immer noch das gleiche, aber die Struktur wäre nicht mehr ganz dieselbe wie vorher. Mit einem einfachen chemischen Test kann man das nicht nachweisen. Und doch braucht es nur eine winzig kleine Veränderung an der Eiweißhülle eines Virus, um einen neuen Stamm zu erzeugen.«
»Das ist unmöglich«, sagte de Vaca. »GEF ist ein vielfach getesteter, patentierter Prozeß, den man bereits bei der Synthese von PurBlood erfolgreich angewendet hat. Wenn daran etwas nicht in Ordnung wäre, hätte sich das längst herausgestellt.« Carson brachte Roscoe zum Stehen. »Haben wir bei irgendwelchen Tests auf die Reinheit des Virus diese Möglichkeit berücksichtigt? Diese spezielle Möglichkeit?« De Vaca blieb stumm.
»Susana, das ist das einzige, was wir bisher noch nicht überprüft haben.«
Sie sah ihn eine ganze Weile schweigend an. »Na schön«, sagte sie schließlich. »Dann lassen Sie es uns eben überprüfen.«
Das Dark Harbor Institute war ein großes, weiträumig angelegtes Anwesen im viktorianischen Stil, das auf einer einsamen Landzunge an der Atlantikküste stand. Obwohl das Institut an die hundertzwanzig berufene Mitglieder hatte, waren immer nur ein gutes Dutzend davon tatsächlich im Haus anwesend. Diejenigen, denen das Privileg eines zeitlich begrenzten Aufenthalts am Institut zuteil wurde, hatten nur eine einzige Aufgabe: Sie mußten denken. Die Aufnahmevoraussetzungen für neue Mitglieder waren ebenso einfach, aber viel schwerer zu erfüllen: Sie mußten Genies sein.
Bei denen, die in diesen heiligen Hallen weilen durften, war das alte Herrenhaus, das nach einhundertzwanzig Jahren an der stürmischen Küste von Maine nicht einen einzigen rechten Winkel mehr aufwies, ausgesprochen beliebt. Besonders schätzten sie daran die Abgeschiedenheit und die Anonymität, die sie dort umgab. Nicht einmal die Nachbarn - bei denen es sich hauptsächlich um Sommergäste handelte - hatten auch nur die leiseste Ahnung, wer die intellektuell aussehenden Frauen und Männer, die hier ein und aus gingen, in Wirklichkeit waren. Edwin Bannister, der stellvertretende Chefredakteur des Boston Globe, hatte gerade in einem nahen Landgasthof seine Rechnung bezahlt und sah zu, wie der Hausdiener die Koffer im Heck seines Range Rover verstaute. Bannister hatte einen schweren Kopf, der von dem schlechten Bordeaux herrührte, den er am vergangenen Abend getrunken hatte. Er gab dem Hausdiener ein Trinkgeld und ging um den Wagen herum. Dabei sog er die salzige Luft ein und warf einen Blick auf das Städtchen Dark Harbor, dessen Kirchturm über den im Hafen liegenden Fischerbooten aufragte. Ein malerisches Fleckchen, dachte er. Zu malerisch für seinen Geschmack. Er zog die Großstadt der ländlichen Stille vor, ebenso wie er die rauchgeschwängerte Atmosphäre in der Black Key Tavern der frischen Seeluft hier draußen vorzog.
Bannister setzte sich hinters Steuer und besah sich die handgezeichnete Kartenskizze, die man ihm in die Redaktion gefaxt hatte. Sieben Kilometer waren es noch von hier zum Institut. Trotz aller Zusicherungen wollte es Bannister noch immer nicht so recht glauben, daß der Mann, der ihn eingeladen hatte, auch wirklich dort sein würde.
Er ließ den Range Rover an, gab Gas und bretterte über die
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