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Mount Maroon

Mount Maroon

Titel: Mount Maroon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ethan Bayce
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zuweilen leid tun konnte. Es war ein zerbrechliches Glück, das er in seinem Blick und auf seinen Lippen trug, eine Beseeltheit, die entsteht, wo Augen sie sehen, und untergeht, wo diese sich abwenden. Sie setzten sich und Mr. Dick wandte sich wieder seinem Beefsteak zu. Peter sah, dass neben seinem Teller eine feine weiße Stoffserviette lag. Mr. Dick musste sie mitgebracht haben, ebenso wie das Besteck, denn es war nicht wie bei allen anderen aus Plastik. Eine Kellnerin trat an den Tisch.
    - „Was darf ich Ihnen bringen?“
    - „Oh, ich möchte nichts, vielen Dank.“
    - „Bitte bringen Sie dem jungen Mann einen Kaffee, Miss“, sagte Mr. Dick.
    Als sie gegangen war, fragte Mr. Dick, ob Peter nicht vielleicht auch etwas essen wolle. Es wäre ihm eine Ehre, ihn einzuladen. Als Peter dies verneinte, begann Mr. Dick von sich zu erzählen, wobei er peinlich genau darauf achtete, nicht mit vollem Mund zu sprechen.
    Mr. Dick war Vertreter für Krawatten. Er verbrachte die meiste Zeit allein in seinem Auto, in irgendeinem Motel oder in irgendeinem Restaurant. Zuhause war Mr. Dick in Rochester, Minnesota, aber es war nur irgendein Zuhause, weil niemand dort auf ihn wartete. So war es egal, wann er dorthin fuhr oder ob überhaupt. Manchmal war er monatelang unterwegs, um sich mit zumeist jungen Verkäufern über Krawatten zu unterhalten, die sie nur der Form halber begutachteten, aber innerlich verabscheuten. Herrenausstatter der alten Schule waren selten geworden, selten wie ihre Läden. Und die Übriggebliebenen waren Ladenhüter im reinsten Wortsinn.
    Für Peter war Mr. Dick ein Geschenk des Himmels, denn er war sofort bereit, einem im Nirgendwo Gestrandeten aus der Klemme zu helfen. Nach dem Essen holte er eine Straßenkarte aus seinem Auto und zusammen begannen sie, nach einer Route zu suchen, die ihre Wege, so gut es ging, vereinen konnte. Als Peter die Karte sah, stutzte er. Zwar waren ihm die meisten Orte bekannt, doch hätte er schwören können, dass der Interstate Highway 68 durch West Virginia führte und nicht, wie auf dieser Karte eingezeichnet, durch Pennsylvania und damit ein ganzes Stück weiter nördlich lag. Auf eine entsprechende Bemerkung versicherte Mr. Dick aber, er kenne das Verkehrsnetz der USA ebenso gut wie das Persian-Pickles-Muster auf den Krawatten in seinem Kofferraum und der Highway sei niemals anders verlaufen, so oft er ihn auch benutzt habe.
    Auf ihrer Fahrt durch die Nacht im betagten aber äußerst bequemen Continental Mark V Diamond erzählte Peter vom Krankenhaus und von seinem vergeblichen Versuch, mit seiner Frau Kontakt aufzunehmen. Mr. Dick hörte geduldig zu, gab aber zu bedenken, dass auch ihm sein Gedächtnis ab und an einen Streich spiele. Er reichte Peter sein Handy und schlug vor, die Auskunft anzurufen, um sich der Korrektheit der Nummer zu versichern. Diesmal wurde trotz der frühen Stunde sofort abgenommen.
    - „Ich möchte die Nummer von Peter Saunders in Annapolis, bitte.“
    Es folgte eine Bandansage, die ihn aufforderte zu warten. Danach meldete sich statt der automatischen Ansage der gewünschten Nummer wieder die Stimme der Telefonistin.
    - „Wie sagten Sie war der Name, Peter Saunders?“
    - „Ja, richtig.“
    - „Ich habe keinen Eintrag zu diesem Namen.“
    - „Und Ellen Saunders?“
    - „Einen Moment bitte.“
    Auch hierzu hatte die Dame keinen Vermerk und auch nicht zu Luther van Eyck, weder privat noch im Atlanta Medical Center. Peter war konsterniert, er blickte unablässig auf die Begrenzungsstreifen der Fahrbahn, die im Scheinwerferlicht neben dem Auto dahin glitten.
    - „Mir scheint, ich existiere nicht.“
    Mr. Dick wandte sich ihm zu.
    - „Wissen Sie, ich existiere eigentlich auch nicht. Wir sollten zusammen auftreten, hehehe.“
    Peter war nicht zum Lachen zumute.
    Mr. Dick erzählte wieder von seinem Alltag, doch Peter hörte ihn von weit weg, durch einen Vorhang aus Gedankenfetzen und Bildern. Er sah Ellen und Irene. Er dachte an Luther, an den Verlag. Wer war Peter Saunders? Was war mit ihm los? Als das Handschuhfach krachend auf seine Beine klappte, erschrak Peter. Mr. Dick hatte es geöffnet, um ihm ein Bier anzubieten.
    - „Ich habe mir einen Kühlschrank einbauen lassen. Für einen Herd reichte der Platz nicht.“
    Wieder lachte Mr. Dick und Peter mit ihm. Mr. Dick hielt den Wagen an. Sie stiegen aus, öffneten ihre Dosen und lehnten sich gegen den Kofferraum. Es war eine sternenklare Nacht und von Osten her ließ sich ganz schwach ein

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