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Mount Maroon

Mount Maroon

Titel: Mount Maroon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ethan Bayce
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trinken konnte. Sie habe sich, wie sie erklärte, nun aber wieder gefangen und sei äußerst unternehmungslustig. Peter, der wahrlich ganz andere Probleme hatte, hörte ihr nur halbherzig zu. Seine Gedanken waren bei Ellen. Er dachte an ihr hübsches Gesicht, gerahmt von den blonden Locken. Sie lächelte in seiner Vorstellung, aber ihre großen blauen Augen sahen traurig aus. Er musste so schnell wie möglich Kontakt zu ihr aufnehmen. Tracy erzählte von ihrem Mann, dessen Geschäftsreisen immer länger und von ihrer Tochter, deren Besuche bei ihr immer kürzer wurden. Sie erzählte von Partys und Vernissagen, von ihren Katzen und ihren Gärtnern. Weil Peter endlich telefonieren wollte und wohl auch, weil das Risiko durch die beständig ansteigende Reisegeschwindigkeit unkalkulierbar zu werden drohte, bat Peter sie, anzuhalten. Noch während er sich sprechen hörte, glaubte er eine Nuance zu barsch geklungen zu haben. Tracy bremste scharf, fuhr auf den Gehsteig und hielt an. Sie lachte laut auf, schob ihren Rock hoch, setzte sich mit einem Ruck auf ihn und begann, ihn wild zu küssen. Peter war keineswegs überrascht, sie tat ihm leid und er streichelte ihren Rücken. Nach einer Weile ließ sie von ihm ab, rutschte wieder auf den Fahrersitz und lachte erneut. Nur klang es diesmal gedrückt, es war wie der erstickte Schrei nach Freiheit, die einem, während man sie zurück zu gewinnen hoffte, endgültig entzogen wurde. Peter wusste, es war nicht das erste Mal, dass sie eine Abfuhr erhielt, vermutlich nicht einmal das erste Mal an diesem Abend. Dennoch musste er sich um seine Angelegenheiten kümmern.
    - „Ich muss telefonieren.“
    - „Schon okay, wie heißt die Kleine?“
    - „Es ist meine Frau … Ich … ähm … dürfte ich dein Handy benutzen?“
    Sie schüttelte heftig den Kopf, wobei ihre Haare hinund hergeschleudert wurden. Dann begann sie, in ihrer Handtasche zu kramen und warf ihm das Telefon in den Schoß. Peter wählte seine eigene Nummer. Es dauerte sehr lange, bis sich eine Frauenstimmen meldete. Sie klang verschlafen; es war ein Uhr nachts.
    - „Ellen, bist du das? Hier ist Peter.“
    - „Wer sind Sie? Was wollen Sie um diese Zeit?“
    Am anderen Ende der Leitung wurde gegähnt.
    - „Verzeihen Sie die Störung.“
    Peter hängte ein. Tracy zog sich im Rückspiegel die Lippen nach und ihr Mund formte sich, ohne dass sie es wirklich wollte, zu einem Lächeln. Peter wählte erneut. Wieder dauerte es einige Zeit, bis jemand zum Hörer griff. Diesmal war eine Männerstimme zu vernehmen, die in aller Deutlichkeit klarmachte, er solle mit dem Unfug aufhören. Man müsse morgen früh raus und wolle schlafen. Auf Peters Nachfrage hin wurde die Stimme lauter, so dass Peter den Hörer reflexartig vom Ohr wegzog. Dann wurde aufgelegt. Keine Frage, Peter hatte sich nicht verwählt, schon beim ersten Mal nicht. Aber wie konnte das sein? Er starrte auf das Telefon in seiner Hand, während sich Tracy zu ihm herüberbeugte. Ihrer Lippen waren voll, ein Kussmund, ihre Augen waren halb geschlossen.
    - „Können wir jetzt zu mir fahren?“
    Sie fuhren nicht zu ihr, sondern verabschiedeten sich anständig, wie alte Freunde, an einer Raststätte am Highway. Tracy hatte ihn dorthin gebracht, nachdem Peter ihr seine Geschichte erzählt hatte. Tracy hatte zugehört, nicht gelacht und zum Abschied traurig gewunken.
    Im Restaurant gewann Peter einen Eindruck davon, warum vertilgen gelegentlich als Synonym für essen verwendet wird. Die nächtlichen Gäste hatten zwar einen gehörigen Appetit mitgebracht, ihre Manieren aber, sofern sie denn überhaupt welche besaßen, in ihren Fahrzeugen gelassen. Die einzige Ausnahme machte ein älterer, beleibter Herr an einem der hinteren Tische. Er war Peter aufgefallen, denn er war der einzige, der aufmerksam in seine Richtung sah, als Peter sich in die Mitte des Raumes stellte und fragte, wer nach Osten fahre und bereit wäre, ihn mitzunehmen. Wie auf ein Kommando hin erhob sich der angenehme Mann, stellte sich förmlich vor und bat Peter, sich zu ihm zu setzen.
    Mr. Dick war nicht nur korpulent, sondern auch überdurchschnittlich groß – eine stattliche Erscheinung, die trotz der Halbglatze und der etwas altmodischen, schwarzen Hornbrille eine gewisse Eleganz ausstrahlte. Peter brauchte einige Zeit, um zu erkennen, dass ihm der stilvolle Maßanzug das weltmännische Aussehen verlieh. Der Mann wirkte freundlich auf eine Weise, wie einem die Freundlichkeit eines anderen Menschen

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