Mount Maroon
per Anhalter nach Nevada fahren, um auf der Ponderosa Ranch reiten zu lernen. Aber schon kurz hinter Kansas City wurde das Abenteuer abgebrochen, weil Luthers Katze Junge erwartete und sich die Sache mit dem Reiten vermutlich doch länger hingezogen hätte. Da waren sie dreizehn. Nun waren sie Anfang 40 und beruflich und familiär dort, wo sie hinwollten. Peter war Leiter des Fachbereichs Geschichte bei einem kleinen Verlag an der Ostküste, glücklich verheiratet und Vater einer Tochter. Luther war Oberarzt am Atlanta Medical Center, geschieden und hatte gleichzeitig jeweils ein halbes Dutzend loser, zumeist kurzlebiger, Affären.
- „Sag mal, sprudelt dein Kaffee auch so?“
Luther starrte in die Flammen des knisternden Feuers.
- „Vielleicht ist die Milch sauer.“
- „Wir haben keine Milch dabei, falls du dich erinnerst.“
- „Ah, stimmt ja, dann eben der Zucker …“
Er war ganz offensichtlich gar nicht bei der Sache.
- „Der Zucker? Sauer?“, Peter zog die Brauen hoch. „Da hätte ich auch den Hirsch fragen können, den wir heute Morgen gesehen haben.“
Luther van Eyck und Peter Saunders waren sportlich und intelligent. Clevere Jungs, die das Leben lässig in ihre Bahn zu lenken wussten. Peter war der Coolere von beiden; wenngleich er mit seinen fast schwarzen Haaren und dunkelbraunen Augen eher an einen Südländer erinnerte, wirkte er immer ruhig und besonnen. Obwohl sich um die Augen einige Lachfältchen gebildet hatten, war sein Gesicht noch ebenmäßig und glatt. Er genehmigte sich trotz des unablässigen Spottes seines Freundes auch auf ihren Wanderungen den Luxus einer täglichen Nassrasur. Sein Haar trug er in mittlerer Länge mit einem linksseitig angedeuteten Scheitel. Der Pony war strähnig aus der Stirn zur Seite gekämmt. Auch Luther war gut aussehend, was er vor allem seinen kobaltblauen Augen und den blonden Locken verdankte, die, seiner ursprünglich irischen Abstammung Tribut zollend, einen Stich ins Rötliche aufwiesen. Sein Gesicht war kraftvoll mit ausgeprägten Wangenknochen und einer markanten Nase ausgestattet. Dennoch war es ein entspanntes Gesicht, auf dem der Betrachter ständig den Anflug eines Lächelns zu erkennen glaubte. Luther war extrovertiert, er war es gewohnt, den Laden zu schmeißen. Wenn Luther da war, redete Luther oder er sang, spielte Gitarre oder lachte einfach nur. Und alle schlossen sich ihm an. Aber auf den Wanderungen war es anders. Hier musste niemand für Stimmung sorgen. Hier waren die Freunde unter sich und jeder wusste, was er vom anderen erwarten konnte. Vieles hatte sich seit ihrer Kindheit in Raleigh, im ländlich beschaulichen Illinois, und ihrer Studienzeit im urban lebhaften Madison geändert, vieles war aber auch gleich geblieben. Sie hatten ihre gemeinsame Geschichte, waren wie Brüder, und Blutsbrüder waren sie seit ihrem achten Lebensjahr ohnehin. Es wäre ihnen gar nicht in den Sinn gekommen, über ihre Freundschaft zu sprechen, sie zu analysieren oder als etwas Besonderes hervorzuheben, sie war einfach da, unendlich, wie die Luft, die sie atmeten, oder das Wasser, das sie tranken. Keiner von ihnen glaubte daran, dass diese Freundschaft jemals enden könnte, denn es gab nichts, was an Bedeutung größer hätte sein können. Sicher hatte Peters Familie in seinem Leben einen ähnlichen Rang eingenommen, aber er wusste, dass das eine das andere niemals gefährden würde. Beide Bereiche existierten völlig unabhängig voneinander, auch wenn sie sich zuweilen überlagern konnten. Und auch wenn man sich seit einigen Jahren viel seltener sah als früher, so haftete doch die alte Vertrautheit an ihnen wie eine zweite Haut. Es gab einfach zu vieles, das sie verband. Peter war beispielsweise daran beteiligt gewesen, als Luther seinen Adelstitel erworben hatte. Nicht, dass der gute Luther etwas besonders Adelungswürdiges getan hätte, denn er hatte einfach nur die einzige Frau geheiratet, die er in seinem Leben wirklich mit dem Herzen liebte. Er war nie der Mann für die eheliche oder auch außereheliche Treue, vielmehr war er mit einem natürlichen Interesse an nahezu allen weiblichen Personen ausgestattet, die sich in seiner Umgebung zeigten. Bei vielen Frauen fiel diese offensive Einstellung auf fruchtbaren Boden, zumal der Mann ungemein charmant sein konnte. So kam es eher selten vor, dass Luther Partys, auf denen er allein auftauchte, auch allein verließ. Sprach man ihn später auf seine neue Eroberung an, zwinkerte er nur und gab vor,
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